Das Leben kommt mir manchmal vor wie
eine ständige Herbergssuche. Ich wurde gezeugt und richtete mich im Bauch
meiner Mutter ein. Meine Seele fand eine erste Herberge. Leider musste ich
diese verlassen, die Hütte wurde zu klein für mich. Ich wurde verstoßen und
bekam eine Wiege. Diese stand in einem kalten und viel zu großen Zimmer. Mir
kam die erste Erinnerung hoch: Der Bauch deiner Mutter war am Anfang doch auch
zugleich fremd und viel zu groß.
Dieses Spiel setzte sich fort.
Kindergarten, Schule, eigene Wohnung, Universität. Immer war ich nur
vorübergehend dort. Mal für ein paar Minuten, mal für ein paar Tage und auch
mal für ein paar Jahre. Da gibt es das ständige Schwanken in mir. Darf ich
bleiben? Wenn ja, wie lange? Ist es sicher hier? Dann richtest du dich ein,
fühlst dich wohl und dann? Dann musst du wieder gehen. Immer, wenn es am
Schönsten ist. Du musst damit klarkommen, ob du willst oder nicht.
Da fällt mir meine Seele ein. Auch sie
wohnt in einer Herberge. Diese „Herberge“, mein Körper kommt mir auch oft sehr fragil vor. Immer verlangt er
nach Aufmerksamkeit. Er möchte geschützt werden vor Wärme und Kälte, vor Nässe
und Trockenheit. Manchmal fühlt er sich wohl in seiner Haut, in seiner
„Umhüllung“ und manchmal möchte er da einfach nur raus.
Mein Körper, eine Herberge für die
Seele. Mein Körper hat die Aufgabe, die Seele zu beherbergen. Da steckt doch
das Wort bergen und Geborgenheit drin. Die Seele sucht Geborgenheit und bekommt
sie auch. Aber es ist nie so ganz sicher! Da gibt es die Krankheiten, die
Ängste und Sorgen. Da gibt es die lebensbedrohlichen Zustände, wenn die
Geborgenheit aufhört und die Unsicherheit beginnt. Der Anfang einer möglichen
Panikattacke.
Es lohnt sich also, einmal genau
hinzuschauen. Die Herbergen zu betrachten. Ich möchte es gerne mit dem Wort
„Raum“ bedenken. Ein neutrales Wort. Jede Herberge ist zunächst einmal ein Raum
mit Länge mal Breite mal Höhe. Der einfachste Raum ist geometrisch gesehen ein
Würfel. Und damit fängt jetzt der Advent an.
Der Advent hat als Ziel auch einen
Raum: Den Stall von Bethlehem. Auf den ersten Blick erscheint er eher
nebensächlich. Dennoch ist es das Ziel einer Reise. Maria und Josef waren
unterwegs. Sie gingen ihren eigenen Adventsweg. Maria war schwanger im
Bauchraum barg sie das Kind. Ihr Ziel war Bethlehem, übersetzt: „Hausraum des
Brotes“. In der Konkretisierung ein Stall oder der Legende nach auch eine
Höhle. Da tauchen die ersten Misstöne schon auf! Ein zugiger Stall im „Haus des
Brotes“! Da gibt es die Begegnung meiner Fragilität mit der Fragilität des
göttlichen Kindes. Da kommen mir die Räume in den Sinn, die ich schon
durchwandert habe. Räume der Geburt, Räume des Lebens, Räume des Sterbens und Räume
des Abschiedes. Aber im Advent taucht da dieser Raum in Bethlehem auf. Im
Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse taucht die Zeile auf:
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
Mir gefällt die Idee, mit Hermann Hesse
Raum um Raum zu durchschreiten und nach der Qualität des jeweiligen Ortes zu
forschen. Ich lade dich ein, in den Tagen des Adventes mit mir den einen oder
anderen Raum zu besuchen. Wir werden keinen Raum zur Heimat machen. Aber in
jedem Raum wird es Hinweise geben, die für den Adventsweg hilfreich sein
können. Die Wegweiser dazu werden Hinweise aus der Sprache. In welchem Raum
dürfen wir bleiben? Selbst der Stall in Bethlehem lädt nur zum Rasten und
Ausruhen ein für eine kleine Weile. Betreten wir also neugierig morgen den
ersten Raum.
Im Vorraum der
Ahnungen
Je größer und das Haus, je reicher der Besitzer, desto
imposanter der Vorraum. In der einfachen Wohnung ist es der Flur und im Schloss
stehst du in der imposanten Eingangshalle. Der Vorraum eines Hauses wirkt auf
mich wie die Verlängerung der Haustür. Und zugleich kannst du wie bei der
Ouvertüre eines Musikstückes die „Themen“ wahrnehmen. Farben, Gegenstände,
Atmosphäre, Gerüche, Ordnung, Platz und Sauberkeit erzählen dir ganz viel von
den Bewohnern. In den Vorräumen kannst du erahnen, was sich hinter den
einzelnen Türen verbirgt. Die Themen stehen fest. Bist du willkommen? Kommst du
dir vor wie ein Eindringling?
Eigentlich gibt es immer den Raum vor dem Raum. Der Stall zu
Bethlehem besitzt auch einen Vorraum: das Feld der Hirten, der Stern und die
Weite des Himmels. Der „Vorraum des göttlichen Kindes“ stellt sich dar wie eine
riesengroße Einladungskarte: „Du bist herzlich willkommen!“
Sogar dein eigener Körper besitzt einen Vorraum. Wenn dir
jemand zu nahe tritt, gehst du automatisch einen Schritt zurück, auch wenn du
noch gar nicht berührt worden bist. Du kannst dich verschließen, indem du die
Hände ineinander verschränkst oder du kannst die Hände ausbreiten mit einer
Einladung.
Beobachte doch einmal den Vorraum deines Körpers. Wie weit
dehnt er sich aus. Was spürst und merkst du dort? Wie sicher fühlt er sich an?
Wie spiegelt sich der „Vorraum“ deines Körpers in deinem Hausflur-Vorraum? Und
was kannst du erkennen, wenn du dann auf dein Herz schaust? Die Einladung des
Adventes lautet: „Effata! Öffne dich!“
Das ist mein Revier!
Das ist mein Raum! Hier sitze ich! Dieser Platz gehört mir!
Wenn du durch deine Wohnung gehst und
allein wohnst, dann wirst du feststellen, dass die ganze Wohnung dein Revier
ist. Da kannst du atmen, wohnen, dich ausdrücken, sicher sein!
Wenn du deine Wohnung teilst mit anderen Menschen hast du in
der Regel auch dein Revier. Dein Bett, deine Schubladen, dein Kleiderhaken,
dein Stuhl bei den Mahlzeiten. Die Plätze verteilen sich. Je kleiner der
Wohnraum, desto kleiner dein Revier, dein eigener Raum!
Auch in einem Zeltlager wird jedes Kind seinen Raum finden.
Die eigene Matratze und der Koffer! Der eigene Raum, den Jesus belegte war auch
nicht groß: Zuerst der Bauch von Maria und dann der Futtertrog – im Wechsel mit
dem Schoß! Ich glaube schon, dass Jesus die Zärtlichkeit seiner Mutter erlebt
hat.
Manchmal müssen wir um unseren Raum kämpfen oder wir müssen
ihn teilen. Dein eigenes Revier gibt dir Sicherheit und bestätigt dich in der
Existenzberechtigung. Ist dein Raum groß genug? Freundlich? Fühlst du dich wohl
dort? Möchtest du ihn erweitern oder verkleinern? Wohnst du vielleicht in einem
Revier, das dir viel zu groß geworden ist? Nimm einfach mal deinen Raum und dein
Revier wahr und spüre hinein ob er stimmig ist!
Der eigene Raum! Der Raum von Jesus war knapp. Bauch und
Krippe! Eine gute Vorbereitung für die Zeit als Wanderprediger. Der
Menschensohn hat keinen Platz, der ihm gehörte. Sein Revier? Das Herz?
Dasein im Spielraum
Haben wir noch etwas Spielraum? Die Zeit drängt! Der Stress
steigt! Das Geld wird knapp! Haben wir noch etwas Spielraum? Es gilt, das Feld
der Möglichkeiten auszuschöpfen. Sich nicht sofort zu begrenzen.
Wenn du einatmest gibt es oft noch etwas Spielraum. Selten
atmest du restlos ein und wieder aus. Etwas Spielraum nach oben und nach unten.
Nicht zu knapp kalkulieren!
Der Spielraum will dir sagen, dass es im Leben Variablen
gibt. Nicht alles ist festgelegt. Gott sei Dank! Oft höre ich aber auch die
Worte: „Da geht nichts mehr!“ Wir sind am Limit angekommen. Limit ist die
Grenze! Es ist gut, immer ein wenig Spielraum zu lassen!
Denn es gibt die Pflicht und die Kür. Da muss etwas auf der
einen Seite und da darf etwas sein auf der anderen Seite. Die Kleidung muss
deinen Körper bedecken, aber der Spielraum lässt zu, dass du dich bewegen
kannst. Je mehr Spielraum, desto mehr Bewegungsmöglichkeiten.
Gefällt dir nicht auch die Vorstellung, dass es im Leben
Räume gibt, in denen du spielen kannst. Auch noch als Erwachsener! Wenn du
spielst, vergisst du deine Sorgen und gehst ins Sein. Du darfst das Leben
spielen und musst es nicht bestehen.
Und Jesus? Er suchte auch nach den Spielräumen, vor allem,
wenn es um die Gesetze ging. Wenn diese einschnüren und einschränken, dann
schafft er Spielraum! Und du? Ist dein Spielraum groß genug? Kannst du ihn gut
für dich nutzen? Magst du spielen?
Übergänge – Dasein im
Zwischenraum
Zwischen den Stühlen sitzen. Zwischendurch etwas machen. Mal
eben etwas erledigen zwischen zwei wichtigen Terminen.
Im Haus und in der Wohnung gibt es auch manchmal
Zwischenräume. Der Raum zwischen zwei Räumen. Einbauschränke, Platz für die
Dämmung, der Platz in der Tür, wo es keine Mauer gibt... Rechne einmal den
Reichtum deiner Zwischenräume aus!
Der Zwischenraum ist ein „mal eben“. Mal eben noch dieses
tun. Mal eben noch eine Schnitte Brot essen im Stehen. Mal eben noch auf die
Toilette gehen! Mal eben noch zum Briefkasten laufen. Mal eben noch Brötchen
kaufen. Mal eben noch! Zwischenraum! Wie sähe dein Leben ohne Zwischenräume
aus? Da kannst du abschalten, umschalten, loslassen und dich neu orientieren.
Du kannst dich auf den Wechsel einstellen und den Raum für dich zusätzlich
nutzen.
Rechne einmal aus, wie groß deine zeitlichen Zwischenräume
sind. Was machst du da? Kannst du dich im Zwischenraum auch einfach mal
hinsetzten und tief atmen? Wenn du das machst wirst du feststellen, dass es da
auch einen Zwischenraum gibt. Du atmest ein – Pause – du atmest aus.
Die Zeit des Adventes gleicht auch einem Zwischenraum, der
Übergang von einer Zeit in eine andere Zeit. Es wächst das Bewusstsein, dass
mehr Göttliches zu dir kommen kann. Im Zwischenraum blitzt das Göttliche auf!
Die Kunst des
Räumens!
Einmal nicht Raum als Substantiv, sondern als Verb. Wir
räumen! Wenn wir räumen, dann sortieren wir die Gegenstände des Raumes. Wir
fügen ein. Wir entfernen. Wir sortieren um. Wir gestalten den Raum.
Räumen ist die Art und Weise mit dem Raum umzugehen oder im
Raum da zu sein. Wir füllen auf, wir schaffen Platz. Die Kunst des Räumens
besteht darin, den Raum zu gestalten. Du wirst dir deines Raumes bewusst. Nimm
einmal deine Wohnräume bewusst wahr. Vielleicht möchtest du ein wenig räumen?
Raum gestalten? Räume den Tisch ein wenig nach links oder nach rechts. Mehr in
die Mitte oder mehr an den Rand. Räume die Sachen in den Schränken. Räume
chaotisch oder räume mehr sortiert. Räume die Bilder an deiner Wand. Räume auch
mal ein wenig schräg! Kannst du es aushalten?
Bei dem Verb „räumen“ denken wir oft an „aufräumen“. Als wir
Kinder waren haben uns die Eltern genervt. „Räum auf!“ Dann haben wir wieder
unsere Kinder genervt als Erwachsene: „Räum auf!“ Dabei könnte räumen sehr lustvoll
sein! Räumen ist letztlich ein schöpferischer Prozess. Räumen schafft Räume! Am
Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde. Die Erde war wüst und leer. Dann
räumte er auf, indem er das Licht von der Finsternis schied.
An Weihnachten erinnern wir uns daran, wie Gott wieder
einmal räumte und Platz schuf in einem Stall. Wie räumst du? Wie ist das Thema
für dich besetzt? Magst du räumen? Lustvoll? Oder mit nervigen Erinnerungen an
die Kindheit. Vielleicht ist es gut, für Neues ein wenig Platz zu schaffen und
dafür umzuräumen.
Raumwunder –
Wunderräume
Manche Häuser werden verkauft als Raumwunder. Die Maße sind
bescheiden, aber so gestaltet wie ein Palast. Gut durchdacht und jeder Fleck
wird ausgenutzt. Man wundert sich eben, wie viel Raum es gibt. Meine Festplatte
ist auch ein Raumwunder. So viele Informationen auf so engem Raum!
Die Kombination macht es! Raum und Wunder – Wunder und Raum!
Ein Raumwunder übersetzt heißt: Es scheint klein, aber am Ende ist es größer
als gedacht. Ein Wunderraum: Ein Raum, in dem Wunder geschehen.
Kennst du Räume, in denen Wunder geschehen? Gibt es im
Krankenhaus Wunderräume? In einer Arztpraxis? In einer Schulklasse? In einer
Kirche? Bei dir in deiner Wohnung? In deinem Herzen? Räume, in denen Wunder
geschehen. Das wünsche ich mir!
War der Stall zu Bethlehem ein solcher Wunderraum und zugleich
ein Raumwunder? Dass das Göttliche in der Bescheidenheit wirklich Platz
gefunden hat? Dass in diesem Raum ein echtes Wunder geschah?
Stell dir vor, dass du nach Hause kommst und in einem deiner
Räume ist ein Wunder geschehen. Du siehst es nicht, aber du spürst es. Da ist
ein Wunder passiert. Der Raum hat eine andere Ausstrahlung! Vielleicht
befriedet es dein Herz und dir wird es ganz leicht. Du fühlst dich wie ein
Engel. Du bist ein Engel in einem Wunderraum. Meinst du, dass du heute einen
von deinen Räumen „bewundern“ kannst? Wie mit einem Zauberstab? Vielleicht
bewunderst du zunächst dein Herz und verwandelst es in einen Wunderraum. Das
wäre ein wirkliches Raumwunder! Was da nicht alles so reinpasst – in unser
Herz!
In der Werkstatt
eines Raumausstatters
Da liegen Tücher! Da gibt es Stoffe! Kissen, Kerzenständer
und Decken. Viel Tuch! Für die Möbel, für den Tisch, für die Wand und für das
Fenster. Ein Mensch, der Räume ausstattet. Es gibt Ausstatter und Bestatter.
Das darf man nicht verwechseln. Der Bestatter gibt sich mit einer Holzkiste
zufrieden und stattet sie aus um sie anschließend zu versenken. Ein Ausstatter
verziert, verschönert, sorgt für das Wohlbefinden.
Ich habe mal mit einem Raumausstatter gesprochen. Der
erzählte mir, dass er sofort sieht und weiß, was ein Mensch möchte, wenn er zu
ihm kommt. Er sieht den Menschen und weiß, was zu ihm passt. Vielleicht ist der
Stoff im Wohnraum die Ausdehnung der Kleidung. Kleidung für die Haut und
Kleidung für den Raum.
In meinem Studienjahr in Spanien ist mir ein Unterschied
aufgefallen. Dort waren die Räume nicht gestaltet, nicht ausgestattet. Die
Möbel hatten Flair, aber es fehlte die Ausstattung. Die war eher sparsam. Wenn
ich heute in so manche Wohnzimmer komme, dann könnte ich mich gut ausziehen. Es
wäre noch genug Kleidung übrig. Hier eine Decke, dort ein Teppich und da eine
Decke.
Wie hast du deine Räume ausgestattet? Bist du ein Gestalter?
Eine Gestalterin? Hast du Freude daran? Geht es dir auch so, dass du manchmal
einen Raum betrittst und denkst: Too much!
Ich stelle mir Gott vor wie einen Raumausstatter. Er hat die
Schöpfung gestaltet mit Flora und Fauna, mit Wind und Sonne und vor allem mit
Farben. Mit vielen bunten Farben. In allen Schattierungen. Und dann entscheidet
er sich für einen Stall! Die Minimalform von Ausstattung! Wenn ich ihn besuchen
will, diesen Stall, dann könnte ich ja ein Tuch mitbringen. Eines von mir mit
Liebe gewebt! Ein schöpferisches Tuch für den Stall, gewebt von mir. Dann stehe
ich an der Krippe und lache mich kaputt! Der Stoff für mein Tuch kommt ja eh
von Gott! Ich bringe zurück, was eh von ihm ist! Ich habe nur ein bisschen mit
rumgewebt. Ich bin eben auch ein Raumausstatter! Und du?
Der Ort hinter dem
Raumteiler
Ich hatte mal einen Raumteiler. Selbstgeknüpft, Makramee!
Dieser Raumteiler grenzte das Waschbecken aus. Ich wollte es nicht direkt in
meinem Wohnraum haben. Auf diese Weise bastelte ich mir zwei Räume. Einen
Wohnraum und ein Badezimmer! Der Raumteiler teilt den Raum in mehrere Teile.
Hinter dem Raumteiler kann ich mich umziehen oder etwas verstecken. Ich kann
etwas unsichtbar machen für meine Augen oder für die Augen der Besucher.
Praktisch!
Alle Räume sind eigentlich aufgeteilt. Ein Tisch kann einen
Raum teilen, ein Sofa und auch der Fernseher. Wenn ich mich mitten in den Raum
stelle, dann werde ich selbst zum Raumteiler. Ich strecke meine Hände aus und
habe jetzt einen Raum vor mir und einen Raum hinter mir.
Ich kann mich auch einüben ins Raumteilen. Dann teile ich
nicht mehr den Raum in zwei Teile, dann teile ich meinen Raum mit einem anderen
Menschen. Dann bewohne ich nicht mehr meinen Raum exklusiv, sondern ich teile!
Diese Art des Raumteilens mag ich sehr!
Da kommt das Kind in der Krippe und teilt auch den Raum. Der
Stall zu Bethlehem ist oft gut aufgeteilt. Die Krippe in der Mitte. Maria auf
der einen Seite und Josef auf der anderen Seite. Dazwischen und direkt dahinter
Ochs und Esel. Die Hirten davor. Alles ist schön geordnet! Dabei teilt das Kind
den Raum. Es teilt den Raum auf für dich und mich und sagt mir: „Hier! Da ist
Platz! Ich teile diesen Raum mit dir!“
Betrachte doch einmal deine Räume unter dem Aspekt des
Teilens! Welche Räume teilst du gerne? Welche teilst du ab um sie unsichtbar zu
machen? Welche Falten versteckst du hinter dem Raumteiler Schminke? Wen lädst
du hinter deinen Raumteiler ein um ein wenig Raum zu teilen?
Mit dem Raumschiff
durch die Galaxis
Die Erde ist unser Wohnraum. Wir sind körperlich auf diesen
Raum beschränkt. Wir können hier zwar die Räume wechseln, innerhalb der Wohnung
oder von Haus zu Haus. Wir können auch in eine andere Wohnung fliegen. Aber es
werden immer Räume auf dieser Erde sein.
Aber in unserer Phantasie sind wir in der Lage, das
Raumschiff zu besteigen und einen Ausflug in die Galaxis zu machen. Wir können
uns von der Erde entfernen und wie bei Raumschiff Enterprise ferne Welten
besuchen.
Im Science Fiction können wir uns vorstellen, dass es andere
Wesen auf anderen Planeten gibt, die andere Werte haben. Die nach anderen
Vorstellungen und Bedingungen leben. Für uns fremd und vielleicht auch
bedrohlich, bisweilen sogar abstoßend bis ekelerregend.
Unser Leben findet in der Komfortzone statt. Ein Leben in
einer afrikanischen Hütte oder einer luxuriösen Villa in Amerika wären immer noch
ähnlich im Verhältnis zum Leben auf einem anderen Planeten. Aber erst wenn wir
unsere Komfortzone deutlich verlassen merken wir den Unterschied.
Setz dich doch einfach mit in deiner Phantasie in ein
Raumschiff und verlasse diese Erde. Was wirst du vermissen? Woran hängst du? Wo
wird dir deutlich, dass du ganz gerne da bist, wo du bist?
Wenn wir uns im Advent erinnern an die Geburt Jesu im Stall
zu Bethlehem könnten wir uns ja mal fragen nach seinem Vorleben. Weil ich nur
menschlich denken kann könnte ich mir auch vorstellen, dass er mit einer Art
„Raumschiff“ von einer anderen Dimension zu uns gekommen ist. Die andere
Dimension war seine Komfortzone und er hat sein Dasein eingetauscht mit einem
Erdenplatz. Freiwillig!
Wir Menschen sind nur vorübergehend auf dieser Erde. Wir
sind Gäste! Nach diesem Leben werden wir uns in ein irgendwie geartetes
„Raumschiff“ bewegen und körperlos diese Dimension verlassen. An Weihnachten
berühren sich also die Dimensionen. Die an die Erde gebundene Körperdimension
wird aufgebrochen und es zeigt sich, wer wir auch noch sind!
Die Raumbeleuchtung
muss stimmen
Stell dir vor, dass du eine Krippe in einer Kirche besuchst.
Die Hirten werden angestrahlt. Auch der Verkündigungsengel ist eingetaucht in
hellem Licht. Der einzige Ort, der im Dunkel liegt, ist das Kind. Du würdest
dir sicher deine Gedanken dazu machen. Da stimmt doch was nicht! Die
Hauptperson im Verborgenen? Vielleicht würdest du auch denken, dass da ein
Konzept und eine Idee hinter stecken muss.
Du kannst in einem Raum Betonung hineinbringen, indem du
Licht hineinfallen lässt. Du richtest dein Licht dahin, wo du etwas sehen
möchtest. Andere Teile des Raumes bleiben im Dunkel. Damit entscheidest du, was sichtbar und betont
werden möchte und was besser im Verborgenen bleibt. Einen Fleck an der Tapete
würdest du so vielleicht eher verbergen.
Vor ein paar Tagen habe ich das Sofa im Wohnzimmer von der
Wand abgezogen. Im Verborgenen konnten die Spinnen ihre Netze unbemerkt
knüpfen. Leider kann ich nicht den ganzen Raum beleuchten. Es bleiben Ecken und
es entstehen Schatten, wenn das Licht irgendwo hin fällt.
Jetzt könnte ich auch einmal nach meiner inneren
Raumbeleuchtung fragen. Wenn du eine Lampe in dein Inneres hältst: Was möchtest
du gerne ins Licht stellen? Welche Seiten ließest du lieber im Verborgenen?
Hast du ein Raumbeleuchtungskonzept oder überlässt du das dem Zufall oder gibst
deinem Unterbewusstsein die Verantwortung? Wenn du um besonders abgelehnte
Schattenseiten in weißt könntest du ja auf die Idee kommen, dein Licht extra
auf die Sonnenseiten deines Charakters zu richten. „So möchte ich, dass die
Menschen mich wahrnehmen und sehen! Meine Schokoladenseite!“
Wie sähe das Lichtkonzept des königlichen Kindes aus? Ich
vermute, dass die Besucher an der Krippe merken, dass das Licht besonders die
Schattenzonen ausleuchten würde. Das finde ich gar nicht schlecht. Dann können
die inneren Spinnennetze auch mal aufgeräumt und entfernt werden.
Wer darf wo hin? Das
finde ich im Raumbelegungsplan
Fahre ich in ein Seminarhaus gibt es dort einen
Raumbelegungsplan. Da darf ich schlafen, da isst unsere Gruppe, dort finden
Kleingruppentreffen statt und in einem anderen Raum trifft sich die Großgruppe.
Der Raumbelegungsplan koordiniert alle Wünsche und Bedürfnisse aller Menschen
und Gruppen an einem bestimmten Ort.
Ich habe einmal eine Raumbelegungsplanerin getroffen. Die
war gut organisiert! Die hatte den Überblick! Sie kannte die Namen der
Teilnehmer, der Gruppen, die Größe und Ausstattung der Räume. Sie war vertraut
mit allen Ressourcen. Bei ihr liefen alle Fäden zusammen. Ohne sie gäbe es in
dem Seminarhaus ein Chaos. Niemand würde mehr seine Gruppe finden. Räume wären
zu groß oder zu klein für die Gruppe. Ein Blick auf den Raumbelegungsplan und jeder
weiß: Das passt!
Genau darum geht es! Es muss passen! Alles ergibt einen Sinn
und fügt sich wie ein Puzzle zusammen. Ich als Teilnehmer kann die verborgene
Ordnung oft nicht erkennen. Das System durchschaue ich nicht. Mir reicht auch
aus zu wissen, wo mein Zimmer ist und in
welchem Raum ich jetzt meine Gruppe treffe. Als Teilnehmer benötige ich nicht
den Überblick.
Kann ich mir Gott vorstellen als einen Raumbelegungsplaner?
War das mit dem Stall Absicht? Oder hat er sich verplant? Sind seine Vorstellungen
nicht aufgegangen? Ist die Erde zu chaotisch und Gott sehr planvoll?
Bethlehem wirkt auf mich eher wie ein Ordnungsminimum im
Chaos oder wie eine chaotische Minimalordnung. Die Erde ist groß genug und es
fügt sich von allein. Vielleicht brauchen wir weder einen Raumplaner noch einen
Raumbelegungsplan. Was für ein Seminar zweckmäßig ist scheint für das Leben
nicht so übertragbar zu sein. Du darfst also im Advent darauf vertrauen, dass
es für dich schon irgendwo einen Platz gibt im großen Universum.
Wie die Raumluft dein
Wohlbefinden beeinflusst
Die Luft ist dicke! Du betrittst einen Raum und spürst die
Auswirkungen eines Konfliktes. Da muss es gebrodelt haben! Die Personen sind
nicht mehr dort. Du kontest den Konflikt nicht verfolgen und du kennst nicht
den Inhalt. Aber du spürst ihn deutlich! Liegt das an der Raumluft? Wann ja,
welcher Teil deines Systems kann die Luft erkennen und ihr eine Bedeutung
geben? Wie gelangt diese Information zu dir?
Du betrittst einen Raum und es übertragen sich Gefühle. In
der Luft müssen sich Informationen befinden. Für deine Augen unsichtbar. Für
deine Ohren nicht hörbar. Deine üblichen Sinne versagen! Sie können ja auch
nicht die Wellen wahrnehmen, die von Handy und Co. ausgelöst werden.
Dann gibt es Gott sei Dank noch die Raumluft, die du gut
zuordnen kannst. Der Duft von Kerzen, Brot oder Kräutern. Die frische Brise am
Meer und der typische Geruch der Toskana oder des Hochgebirges. Die Luft
beeinflusst dein Wohlbefinden. Das geschieht automatisch. Du kannst einen
Menschen riechen und der Geruch gefällt dir und schenkt dir Nähe. Oder er warnt
dich und bringt dich auf Distanz.
Wie stellst du dir die Luft im Stall von Bethlehem vor?
Alpenländisch? Orientalisch? Wie ein typischer Kuhstall im Münsterland?
Wahrscheinlich gab es ein Mischung von Schaf, Heu, Holz, Orient und menschliche
Ausdünstungen. Ich stelle mir vor, dass mein ganzer Körper dort entspannt.
Automatisch! Das mache ich nicht über das Denken. Ich denke nicht, dass dort
das göttliche Kind liegt und ich deswegen heilige Gefühle bekomme. Ich stelle
mir vor, dass ich einfach entspanne. Ich lasse los und bin da. Nur weil ich in
Resonanz gehe mit der Raumluft. Sie wirkt auf mein Unterbewusstsein. Ich
bekomme das Signal über den Körper zu den Gefühlen bis hin zum Gehirn: „Hier
ist es sicher!“
Wandere doch einmal durch deine Wohnung und schalte nur
deine Nase ein. Stell dich mitten in einen Raum und öffne weit deine
Nasenflügel. Was kannst du wahrnehmen? Was erzählt deine Nase und was nimmst du
darüber hinaus wahr? Duftet es nach Verständnis und Wohlwollen? Riecht es nach
Stress und Angst? Wie kannst du deine Raumluft ein wenig duftiger machen – mit
und vor allem ohne Hilfsmittel, rein mental!
Bloß keine Räumungsklage
Da bist du angekommen. Du hast einen Raum besetzt. Da stehen
deine Möbel. Da hängen deine Bilder an der Wand. Du hast dich eingerichtet und
du fühlst dich wohl. Dein Wohnraum ist dir zur zweiten Haut geworden. Leider
wohnst du zur Miete.
Da kommt der Besitzer und will dich heraus haben. Du
möchtest nicht gehen und es kommt zu einer Räumungsklage. Da will jemand, dass
du gehst. Das Gericht entscheidet sich gegen dich. Dein „Wohlbefinden“ zählt
dort nicht. Die Wohnung gehört dir nicht und du bist lediglich ein „Gast“ auf
Zeit.
Du könntest jetzt sagen: „Das ist das Schicksal eines
Mieters. Du bist nie wirklich sicher. Wenn du gehen musst dann musst du gehen.
Freiwillig oder mit Klage!“ Dennoch möchte ich gerne für einen Moment bei dem
Gefühl verweilen wenn ich das Wort Räumungsklage höre.
Da nimmt dir jemand etwas weg. Du hast es geliebt. Dein Herz
hängt daran. Du gehst nicht freiwillig. Der Gedanke allein schmerzt dich. Du
fühlst dich heimatlos. Der Boden wird dir unter den Füßen entzogen. Du musst!
Wenn du nicht dein inneres Einverständnis gibst bekommst du neben der Klage
auch noch Depressionen. Du zahlst einen doppelten Preis. Du verlierst deine
Heimat und hast zusätzlich ein Gefühl von tiefer Trauer.
Die Menschen im Stall von Bethlehem sind zwar nicht aufgrund
einer Räumungsklage dort gelandet. Sie wirken aber wie Menschen, die unter den
Folgen einer Räumungsklage litten. Der Abrutsch in die Obdachlosigkeit. Aber
sie haben sich nicht beklagt, keine Klagen eingereicht. Vielleicht konnte sich
die göttliche Familie ja woanders beheimaten.
Wer in Gott Heimat findet bekommt lebenslanges Wohnrecht. Es
ist gut zu wissen, dass Räumungsklagen sich nur auf diese eine irdische Wohnung
beziehen und nicht auf die innere Verankerung.
Zugleich bringt mich das auf den adventlichen Gedanken, wem
du mal eine Räumungsklage ins Haus schicken möchtest. Welche Anteile in dir
besetzen dich, gehören da gar nicht hin. Ich denke da vor allem an „Mama“ und
„Papa“ Sätze aus der Kindheit, die immer noch sehr wirksam sind. „Wenn du
nicht...!“ Schick diese alten
Glaubenssätze zurück, wo sie herkommen. Steck sie in einen virtuellen
Briefumschlag mit der Anschrift: „An meine Eltern! Ich schicke euch alle
„Müssen“ und „Sollen“ - Aufforderungen zurück. Ich brauche meinen Wohnraum für
mich und stelle einen Antrag auf Eigenbedarf.“
Putzt du noch oder
betreibst du Raumpflege
Normalerweise nehme ich Staubsauger, Putzeimer und Lappen in
die Wand und wühle mich durch die Wohnung. Es muss halt sein, das Putzen.
Regelmäßig! Ich möchte es ja schließlich sauber haben und bei Gästen einen
guten Eindruck hinterlassen.
Hilfreich ist es für mich, in eine entsprechende Putzenergie
zu kommen und systematisch von A nach B zu gelangen. Vor allem auf die Ecken
und versteckten Räume achten. Dann Augen auf und durch!
Da kommt mir mein Elternhaus in Erinnerung und das Bestreben
meiner Mutter, uns Kinder eifrig abzuschrubben, wenn wir verdreckt vom
Spielplatz zurückkehrten. Schrubben, bis
die Haut glüht! Heute gehe ich
behutsamer mit mir vor. Vielleicht war das Putzen früher geprägt davon, allen
Bakterien und Kleinlebewesen auf den Leib zu rücken und gnadenlos auszumerzen.
Den Staubkörnern in der Wohnung und dem Dreck unter den Fingernägeln den Garaus
machen. Dreck darf nicht sein! Den putzen wir weg!
Wie anders klingt das Wort Raumpflege! Wenn ich den Raum
pflege, dann bringe ich ihm Achtung entgegen. Ich gestalte ihn so, dass er
seine Wirkung entfalten kann. Ich pflege ihn so, dass ich mich darin wohlfühle.
Ich pflege meinen Körper, damit er sich wohlfühlt. Das mache ich mit meiner
Wohnung und das mache ich mit allen Dingen. Ich bringe den Gegenständen meine
Aufmerksamkeit und Achtung entgegen. Sie werden es mir danken und länger leben.
Wenn ich aufhöre zu putzen und anfange zu pflegen mache ich meine Reinigung zu
einem Wellnessereignis. Diese Vorstellung gefällt mir. Wellness für die Räume
vor Weihnachten!
Wenn ich auf den Stall von Bethlehem schaue, dann kommt mir
in den Sinn, dass Maria und Josef wohl eher darauf achten konnten, ihn
behaglich zu machen als ihn durch zu wienern.
Welche Räume waten denn schon auf deine pflegenden Hände? Wo
kannst du einmal liebevoll hinschauen und welchen Dingen ein wenig mehr
Beachtung schenken?
Ein Raum für die Andacht
Jede Kirche ist eigentlich ein Andachtsraum. Heute gibt es
auch in öffentlichen Gebäuden Andachtsräume, so in manchen Flughäfen und im
Reichstag in Berlin. Ein Raum, in dem nicht gearbeitet wird. Ein Raum, der
keine praktischen Funktionen hat. Dort ist es still. Dort wird nicht
gearbeitet.
Im Andachtsraum kann ich meine Gedanken sammeln. In meiner
Andacht kann ich meine Aufmerksamkeit auf etwas hinlenken. „Andächtig“ lausche
ich der Musik.
Gibt es in deiner Wohnung einen Raum, wo du andächtig sein
kannst?
Ich sehe da zwei Möglichkeiten. Die erste ist ein ganz konkreter Ort, ein
Platz. Vielleicht besitzt du sogar ein eigenes Zimmer, das nur dem Schweigen
dient. Ein Ort, an dem du dich zurückziehen kannst. Vielleicht bevorzugst du ja
eher die Gartenbank draußen und machst die ganze Welt zum Andachtsort. Oder du
hast dir eine Nische eingerichtet, mit Bild und Kerze oder einem anderen
Gegenstand, der dich in die Andacht führt, in das Sammeln deiner Gedanken und
Gefühle.
Die zweite Möglichkeit gefällt mir besonders gut. Dieser
Andachtsraum ist mobil und immer und überall einsetzbar. Du kannst stehen,
sitzen oder gehen. So wie es dir entspricht. Du schaffst dir durch die innere
Stille, Affirmationen, Visualisierung, Bewusstheit einen Raum in dir und um
dich herum. Du triffst die Entscheidung, in deinen Andachtsraum zu gehen und
dort zu sein. So kannst du die Zeit im Wartezimmer beim Arzt nutzen. Deinen
Sessel im Wohnzimmer, die Bahnfahrt, deinen Gang durch die Stadt. Du kannst
jeden Ort der Welt zu einem Andachtsraum machen, einem Ort, an dem du deine
Gedanken sammelst und aufmerksam bist für das Hier und Jetzt.
Weihnachten macht eben genau dieses deutlich. Der Stall wird
zum Ort der Andacht. Dort angekommen gehen die Menschen in die Achtsamkeit. Sie
lauschen genauer hin! Achten auf ihre Intuition! Unterscheiden die Geister!
Sammeln Kraft! Viel Freude in deinem Andachtsraum!
Vom Strafraum zum
Erlaubnisraum
Bei einem Strafraum handelt es sich um eine Fläche vor dem
Tor im Fußballfeld, der genau vermessen und durch Linien gekennzeichnet ist.
Dort herrschen andere Regeln als im Rest des Feldes.
Wer diesen Raum nicht beachtet und die Regeln verletzt, wird
bestraft. Wenn ich mich im Strafraum aufhalte ist besondere Vorsicht angesagt.
Da gelten andere Regeln und Gesetze.
Das erinnert mich an manche Räume, die durch
einen Stacheldrahtzaun eingefasst werden. Atomkraftwerke, tiefe Gruben,
Gefängnisse, besondere Hoheitsgebiete. Das Innenleben muss vom Außenleben
getrennt werden. Trennende Räume. Wer dort macht was er will muss die
Konsequenzen spüren.
Ein Fußballfeld ist ja eigentlich nur ein einziges Feld und
dennoch zeigen die Linien dort eine Trennung an. Hier wir und da die anderen –
mit einem besonderen Hoheitsgebiet.
Jeder Mensch lebt auch quasi wie in einem „Strafraum“. Komm
mir nicht zu nahe, wenn du mir unbekannt bist oder wenn ich dir nicht traue! Respektiere meine körperlichen Grenzen! Manche
Menschen sind da großzügig und andere weniger. Für einen gewalttätigen Ehemann
kann der Raum um die Wohnung zum Strafraum werden, wenn ein Richter ihn dazu
verurteilt. Schutz der Familienangehörigen!
Es reicht, eine Linie zu denken. Hier ich und da du! Ich
kann die Linie auch ausradieren der wegdenken. Dann gibt es Verbindung.
Ich stelle mir vor, dass an Weihnachten die Strafräume
durchlässiger werden. Es wächst das Vertrauen, dass ich mich nicht schützen
muss. Das Kind in der Krippe sagt: „Verwandle die Strafräume in
Erlaubnisräume!“
Die Schätze aus dem Abstellraum
Es gibt Räume, das stelle ich etwas ab. Ich kann es nicht
wegwerfen. Aber jetzt brauche ich es nicht. Dort stelle ich ab, was ich
zeitweise benötige. Saisonartikel! Dort stelle ich auch Dinge ab, die nicht
schön sind für den Wohnbereich wie Putzeimer und Leiter.
Wir hatten einen ganzen Keller als Abstellraum. Der war sehr
beliebt für Strafen! „Ab auf die Kellertreppe!“ Dort saßen wir dann und
blickten auf Eimer, Kartoffelkiste, Besen und Schubkarre. Wir waren dort für
eine Zeit abgestellt. Nicht tauglich für das Familienleben! Nicht richtig! Es
war unbestimmt, wann wir zurückkehren durften. Wir wurden eins mit Eimer und
Putzlumpen. Nicht beliebt und nicht erwünscht. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Heute als Erwachsener liebe ich Abstellräume! Dort kann ich
Schätze entdecken, die ich vor Jahren selber dort weggelegt habe. Dort finde
ich, was ich vermisst habe. Dort entdecke ich Dinge, von denen ich gar nicht
wusste, dass ich sie besitze. Da kann ich Hobbys wiederbeleben, Geschenke
finden, Kinder beglücken, Ersatzteile entdecken, ausrangierte Geräte wiederbeleben.
Dort finde ich wichtige Teile meiner eigenen Lebensgeschichte wieder. Die
Geschichte der abgelegten Dinge.
In meinem Inneren gibt es auch einen Abstellraum. Dort parke
ich die Begegnungen, die mir gut taten und auch die Kränkungen, die mich nicht
loslassen. Da sind alle Erinnerungen in Regalen abgelegt, mal offen und mal
versteckt. Das ist so eine total bunte Mischung von Willkommen und Ablehnung.
Von nützlich und kitschig. Kein Raum erzählt so viel von mir wie mein
innerer Abstellraum.
Ich könnte diesen Raum mal wieder im Advent besuchen. Welche
Schätze verbergen sich dort, die ich mal wieder reaktivieren könnte. Was dürfte
mal wieder ans Tageslicht? Was sollte gereinigt und repariert werden? Wem
könnte ich etwas davon schenken?
War der Stall von Bethlehem vielleicht auch so etwas wie ein
Abstellraum? Dort trafen sich ja Menschen, die nicht wichtig waren für die
große Politik. Hirten, Ochs und Esel und Schafe.
Schau doch einmal in deine inneren und äußeren Abstellräume
nach. Nimm dir Zeit. Hole die Dinge ans Licht. Stell sie aus! Verschenke etwas
davon! Mach Platz für das Neue!
Bewusstseinserweiterung
im Aufwachraum
Du bekommst eine Narkose und wirst operiert. Anschließend
wird dein Bett in ein bestimmtes Zimmer geschoben, wo du dich von deiner
Narkose erholen kannst. Aufwachen unter Beobachtung. Du befindest dich in einem
Raum, der dem Aufwachen bestimmt ist.
Jetzt stell dir einmal vor, dass du nachts schläfst. Am
Morgen wachst du auf und dein „Schlafraum“ wird zu einem „Aufwachraum“. Du
kennst den Unterschied von schlafen und wachen. Denn nach dem Aufwachen
erinnerst du dich daran, dass du ja vorher geschlafen hast. Das fühlte sich
völlig anders an. Im Schlaf warst du dir deines Körpers nicht bewusst. Du weißt
nicht, wann und wie oft du dich bewegt hast. Aber du kennst den Unterschied von
schlafen und wach sein. Durch das Aufwachen wechselst du vom Schlaf zum Wachzustand.
„Das ist mir nicht neu!“ wirst du jetzt sagen. Das kenne
ich! Na und? Das mache ich seit ich lebe. Ich schlafe und ich wache! Dann
möchte ich mit dir jetzt einen Schritt weiterdenken. Stell dir vor dass du
schläfst und aufwachst. Aber, dein Aufwachen ist kein echtes Aufwachen, sondern
lediglich der Wechsel in einen anderen Traumzustand. Du bist also nur scheinbar
wach. Du befindest dich quasi in einer Art Dämmerzustand. Wie mit Drogen, nur
nicht so krass. Du denkst, dass du wach bist, du bist dir vielleicht sogar ganz
sicher! Aber wirklich wach bist du nicht!
Du weißt nicht wer du in Wirklichkeit bist! Du hast
Ereignisse aus deiner Kindheit verdrängt. Du erinnerst dich nicht an deine
Vorleben und hältst diese Idee an sich schon für Spinnerei. Wenn du alle deine
Identitäten einmal fortdenkst als da sind: „Ich
bin Vater, Mutter, habe einen Beruf, bin ein Familienmitglied, Nachbar,
Staatsbürger...“ Durch das Fortdenken
deiner Scheinidentitäten besitzt du jetzt keine Identität mehr! Wer bist du
dann, wenn du so denkst? Wer ist dieses „Ich“?
Wenn du diese Frage stellst dann kann es geschehen, dass du
im Wachsein noch einmal neu aufwachst. Es ist so, als ob ein Groschen fällt. Es
gibt ein Aha! Du nimmst wahr, dass es ein vom Körper unabhängiges Bewusstsein gibt.
Dieses „ich“ nimmt sich anders wahr. Dieses „ich“ ist in der Lage, sich selbst
zu beobachten und entschiedener da zu sein.
Wenn du dich auf dem Weg zur Krippe machst kommst du auch in
einen „Aufwachraum“. Du kommst wie in Trance zu der Krippe mit deiner ganzen
Lebensbiographie, deinen Hürden und Einschränkungen. Dann stehst du vor dem
Kind und es geht ein Ruck durch dich hindurch. Du stellst fest, dass du das gar
nicht bist. Du bist nicht das Sammelsurium deiner biographischen Ereignisse. Im
angeschaut werden durch das Kind wachst du auf. „Aha“, das bin ja „Ich“. Da
gibt es ein „Ich“, das gemeint ist. Meine Eltern wollten vielleicht ein
„braves“ Kind. So habe ich mich auf deren Wunsch hin „brav“ entwickelt. Aber
das bin nicht ich! Das war das „Wunsch-Ich“ meiner Eltern. Ich war ständig ein
„Wunsch-Ich“ anderer Menschen. Jetzt wache ich auf! Jetzt merke ich das erst!
Und? Bist du schon wach oder schläfst du noch obwohl du wach bist?
Geheimnisse im Hohlraum
In unserer Wohnung gibt es einige Wandschränke. Jeder
Schrank ist letztlich ein Hohlraum, in dem ich etwas einlagern kann. Es ist
dort gut geschützt in diesem Raum vor Sonnenlicht, Feuchtigkeit, Insekten und
Temperaturschwankungen.
In unseren Wandschränken gibt es zusätzliche Hohlräume.
Kleine Orte, die niemand vermutet. Löcher in der Wand oder Plätze hinter einer
Säule wurden dadurch sinnvoll
ausgenutzt. In solchen Hohlräumen kannst du deine Kostbarkeiten
verbergen und verstecken. Ersatzschlüssel, Kreditkarten oder Schmuck.
Als Kind habe ich mit Leidenschaft Hohlräume erkundet.
Überall habe ich dadurch Höhlen entdeckt. In Bäumen, im Boden, in Mauernischen.
Und immer habe ich mir vorgestellt, dass andere Menschen dort ihren Schatz
versteckt haben. Eines Tages werde ich einen Schatz in einem Hohlraum finden
und damit glücklich sein.
Vielleicht ist diese Vorstellung ein wenig naiv. Aber es hat
etwas Verlockendes. Das Geheimnis im Hohlraum hält deine Neugier wach. Du
bleibst lebendig. Du bist noch nicht fertig mit dem Leben. Du vermutest, dass
da noch etwas auf dich wartet. Wenn du es gefunden hast, wirst du ganz
glücklich sein. Es kribbelt. Es lässt dich lebendig werden. Du kannst es für
dich behalten oder mit jemandem teilen.
Der Stall von Bethlehem hat auch Aspekte des Hohlraumes. Dort
ist ein Geheimnis, ein Kleinod verborgen. Nicht jeder kann ihn entdecken. Du
kannst schnell daran vorbei laufen, weil dein Blick auf Paläste gerichtet ist.
Da gibt es Bethlehem und einen Stall mit einem Hohlraum. Dort wartet ein
Geheimnis auf dich, das von dir entdeckt werden möchte. Weißt du schon, was du
dort findest? Weißt du es wirklich? Oder schaust du jetzt lieber noch einmal
nach? Manchmal ist das mit dem Hohlraum sehr geheimnisvoll. Du gehst hin und es
ist leer. Dann ist auf einmal etwas drin. Und dann wieder etwas anderes. Du
weißt es nie genau?!
Vom Zuschauerraum auf
die Bühne und zurück
Wenn es einen Zuschauerraum gibt, dann existiert auch eine
Bühne. In einem Zuschauerraum versammeln sich die Menschen, die bei einer Sache
zuschauen. Die Plätze sind verteilt. Auf der einen Seite wird aktiv etwas
gemacht. Auf der anderen Seite schaut man zu. Die eher aktive Seite und die
eher passive Seite. Aber beide Seiten bedingen sich gegenseitig. Ohne ein
Schauspiel ist der Zuschauerraum ein Raum wie jeder andere. Erst durch die
Anwesenheit von Zuschauern erlangt dieser Raum seine Funktion. Das Schauspiel
benötigt den Zuschauer, sonst wird es nicht bemerkt. Ein Theaterstück ohne
Zuschauer muss ausfallen. Darum ist der Zuschauer ein höchst aktiver Mensch. Er
sitzt und richtet seine ganze Aufmerksamkeit auf das Schauspiel.
Wir könnten uns Bethlehem und den Stall auch so vorstellen.
Da gibt es eine Bühne mit einem Geburtsschauspiel und die Zuschauer, die
aufmerksam hinschauen und hinhören. Die Räume sind dabei verteilt. Der Platz,
von dem aus jemand auf die Krippe schaut ist der Zuschauerraum. Du darfst von
außen auf das schauen, was im Inneren geschieht.
Manchmal möchtest du vielleicht die Position wechseln. Du
möchtest an dem Schauspiel teilnehmen. Weil es dich fesselt? Weil du dir eine
andere Handlung wünschst? Weil die Schauspieler ihr Geschäft nicht verstehen?
Im Stall von Bethlehem stehst du als Zuschauer und bemerkst, wie dein Herz die
Position verändert. Es hüpft einfach in die Krippe hinein. Es wird Teil des
Schauspieles. Du bekommst die Möglichkeit vom Zuschauer zum Mitspieler zu
werden. Du darfst auch wieder zurückgehen in deine Ausgangsposition.
Im Leben ist es hilfreich, in beiden Räumen zuhause zu sein.
Wenn du zu sehr in deinem Spiel auf der Lebensbühne negativ vertieft bist,
kannst du eine Pause machen und in den Zuschauerraum wechseln. Von dort aus
kannst du deine Position überdenken und neue Entscheidungen treffen.
Wenn du zur Krippe gehst kann es geschehen, dass du deine
Zuschauerposition veränderst. Du möchtest eben nicht länger zuschauen, sondern
aktiv dabei sein. Dein Herz hüpft zum Krippenkind und lässt sich mit Liebe
erfüllen. Es kehrt zu dir zurück und du veränderst dich und die Welt in eine
riesengroße Krippe voller Liebe und Lebendigkeit.
Verbindung mit dem Herzraum
Es gibt Räume, die wir ständig wie selbstverständlich
benutzen. Im Schlaf- und Wohnzimmer halten wir uns auf und sind uns dessen
nicht bewusst. Wir gehen in der Regel nicht in das Wohnzimmer und denken:
„Jetzt bin ich im Wohnzimmer. Ich spüre nach, wie sich das anfühlt. Ich setze
mich hin und entspanne.“ Wir machen es einfach ohne einen Gedanken daran zu
verschwenden.
Wir atmen ohne dass wir uns des Atmens bewusst werden. Ich
kenne viele Menschen, die ganz erstaunt sind, wenn ich sie auffordere, einmal
ihren Atem zu beobachten. Sie wissen nicht, in welche Räume sie hineinatmen.
Dann sind sie erstaunt, dass sie manchmal aufhören zu atmen, vor allem dann,
wenn sie Angst haben.
In diese Kategorie gehört auch der Herzraum. Wir spüren
unser Herz pochen wenn wir darauf achten. Wir wissen, dass es dieses Organ gibt
und wir kennen die Grundfunktionen. Wir nehmen aber selten wahr, dass es dort
einen Raum gibt, in dem wir hineinspüren können. Wenn wir denken, dann verorten
wir unser Bewusstsein oft oben im Kopf. Wir denken und schauen die Welt mit
unseren Augen an. Wir hören mit den Ohren und alle diese Körperteile liegen im
Kopf. Darum sind wir mit unserer Aufmerksamkeit dann im Bereich des Kopfes. Von
dort aus nehmen wir wahr.
Du kannst jetzt einmal folgendes Experiment machen. Du
verabschiedest dich von der Kopfregion in folgender Weise. Du konzentrierst
dich mit deinen Augen nicht mehr auf ein bestimmtes Objekt. Du schaust also
nicht die Blume oder die Tasse an, sondern du schaust durch alle Dinge
hindurch. Du schaust auf einen imaginären Punkt am Horizont und nimmst alles
gleichzeitig war. So, als ob du einen glasigen Blick bekommst. Auch deine Ohren
richtest du auf alles aus. Du hörst nicht mehr ein einzelnes Geräusch und
versuchst, es zu identifizieren. Du wirst ein Gesamthörender und ein
Gesamtsehender. Wenn du das machst, dann musst du nicht mehr aufmerksam sein
für die Details in deiner Umgebung.
Dann stellst du dir vor, wie du mit Hilfe deiner
Imaginationskraft in deinen Herzraum hinunterrutschst. Setze dich neben dein
Herz und nimm wahr, was dort geschieht. Nur wahrnehmen und beobachten. Nichts
tun! Du brauchst Geduld und es ist gut, dort zu bleiben. Es wird einen Impuls
geben wieder nach oben in den Kopf zu gehen. Das ist deine gewohnte Art, da zu
sein. Du kannst dir einen Sessel neben deinem Herzen vorstellen, in dem du
platzt nimmst und es dir gemütlich machst. Nach einer Weile kannst du
versuchen, einen Weg in dein Herz hinein zu finden. Was spürst du dort? Was
nimmst du wahr? Wie unterscheidet sich deine Wahrnehmung vom Herzen her und vom
Kopf her.
Wenn du an einer Besprechung teilnimmst, dann probiere dort
einmal diesen Unterschied. Nimm die Menschen vom Herzaum her wahr und dann geh
in den Kopf. Was wirst du anders denken, fühlen, spüren oder dann sagen oder
ausdrücken. Wann ist es gut, im Kopf zu sein und wann wechselst du besser in
dein Herz?
Stell dir Bethlehem wie einen Herzraum vor oder wie einen
Kopfraum. Der Kopfraum sagt: „Dort kommt Jesus Christus zur Welt. Er ist Gottes
Sohn, geboren von der Jungfrau Maria. Er hat den Auftrag, die Menschen von
ihren Sünden zu erlösen.“ Was sagt der Herzraum, wenn du zur Krippe trittst?
Vielleicht so? „Ah, wie schön!“
Kraft sammeln im Rückzugsraum
Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Im
„Rückzugsraum“ wird alles noch einmal in Ruhe bedacht. Alle Fakten für ein
Urteil kommen auf den Tisch. Es wird abgewogen und nach einem gerechten Urteil
gesucht.
Du kommst von der Arbeit nach Hause und brauchst etwas Zeit
für dich. Du ziehst dich zurück in dein Zimmer oder in eine Ecke des
Wohnzimmers und lässt den Tag an dir vorüberziehen. Du bist vielleicht noch
aufgeregt. Dein Herz schlägt. Die eine oder andere Begegnung geht dir nicht aus
dem Sinn. Du brauchst die Zeit damit du mit Kopf, Herz und Seele wieder
ankommen kannst. Wenn dein System durcheinander gerät braucht es Zeit, sich
wieder zu synchronisieren. Dazu braucht es Zeit und Raum.
Manche bevorzugen dafür einen bestimmten Platz. Ein Sessel,
ein Blick aus dem Fenster, ein Platz draußen im Garten, auf der Terrasse oder
in der freien Natur. Manche können einfach die Augen schließen und den
Rückzugsraum im Innen aufsuchen.
Vielleicht ergeht es Menschen im Großraumbüro oft deswegen
nicht gut, weil der Rückzugsraum fehlt. Sie sind immer öffentlich. Alles ist
für alle zu hören und zu sehen. Wer traut sich schon in aller Öffentlichkeit
während der Arbeitszeit die Augen zu schließen und sich zu sammeln?
Wie sieht dein Rückzugsraum aus? Nutzt du ihn? Welche
Rituale findest du hilfreich? Besuchst du diesen Raum zu festgelegten Zeiten
oder nach Bedarf und Möglichkeit?
Nach der Geburt, den Besuchen an der Krippe, den
Verheißungen und Aufregungen heißt es in der Bibel über Maria: Sie bewegte
alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Auch Maria nahm sich Zeit zum
Sammeln und zum Verarbeiten der Ereignisse.
Ich entdecke darin die Einladung, nicht immer aktiv sein zu
müssen. Immer in der Spirale von Hektik und Anstrengung sein. Ich habe ein
Recht zum Rückzug. Ich habe eine Verantwortung mir selbst gegenüber. Ich kann
mir die Erlaubnis erteilen und meiner Umwelt sagen: „Jetzt nicht!“ – „Ich nehme
mir eine Auszeit!“
Bei der Nahrungsaufnahme machst du es ja auch so! Du nimmst
die Nahrung auf und gönnst deinem Körper die Zeit des Sortierens und Verdauens.
Und das braucht Zeit und Raum.
Genügend Wohnraum für
alle
Bei einem Adventsabend wurde die Geschichte vorgelesen von
einem Krippenspiel mit dem Thema Herbergssuche. Maria und Josef waren unterwegs
und wurden an jeder Tür abgewiesen. In Bethlehem gab es nicht genug Wohnraum
für alle. Die Kinder hatten ihre Rollen gut gelernt. Die Lehrerin unterstützte
als Souffleuse. Der Junge, der den letzten
Herbergswirt spielte sollte nach Drehbuch energisch das Paar zurückweisen.
Der Junge nahm wahr, wie Maria und Josef ständig Ablehnung
erfuhren. Da krampfte sich sein Herz mehr und mehr zusammen und das Spiel nahm
einen ungeahnten Verlauf. „Ich kann das nicht! Ich kann euch nicht wieder auf
die Straße schicken. Kommt herein und seid meine Gäste. Wir können heute auch
in den Stall gehen.“ Totenstille und dann kommt der donnernde Applaus.
Genügend Wohnraum für alle. Die Konventionen durchbrechen.
Die Geschichte neu erzählen. Keine Geschichte von zugeschlagenen Türen und Abweisung.
Sondern eine Geschichte von Willkommen und Einladung. Genügend Wohnraum für
alle!
Im Wohnraum kannst du wohnen. Im Wartezimmer kannst du nur
für einen Moment verweilen und dann musst du wieder aufbrechen und gehen. Im
Wohnraum darfst du bleiben. Du kannst dich entspannen. Niemand schickt dich
fort. Du kannst deine Sorgen loslassen. Du hast Zeit zum Essen und Trinken. Du
darfst erzählen und jemand hört dir zu. Keiner schaut auf die Uhr.
Vielleicht hat das Wort „wohnen“ ja etwas mit „Wonne“ zu
tun. Das würde mir gefallen. Es gibt einen Ort, an dem du mit Wonne sein
kannst. Du machst dich einfach breit und bist satt und zufrieden.
Freiraum schaffen
Es wird eng! Am Ende des Monats schaust du
auf dein Bankkonto und bekommst ein beklemmendes Gefühl. Da sind nur noch
wenige Geldreserven da und es wird eng für die letzten Tage. Du hast einen Termin vereinbart und steckst mit deinem Auto im Stau. Du wirst unruhig und schaust ständig auf die Uhr. Noch gibt es einen Puffer, aber wie lang reicht er noch? Irgendwann wird es eng und du weißt nicht, ob du pünktlich an dein Ziel kommst.
Du glaubst dich am Ende deines Lebens. Eigentlich wolltest du noch dieses oder jenes erledigen. Du stirbst und dein Leichnam wird in den Sarg oder die Asche in die Urne gelegt. Sowohl da als auch in der Erde wird es eng.
Dir wird klar, dass du auch an Weihnachten viele Aufgaben zu erledigen hast. Dein Terminkalender wird voller und voller. Deine Gedanken kreisen um die Anforderungen und du machst dir Sorgen, ob du das alles noch schaffst, was du dir vorgenommen hast. Es wird enger und enger. Die letzten Einkäufe, Geschenke, kochen, Verwandtenbesuche, schmücken und putzen...
Du kommst von deinen Aktivitäten nach Hause und bist in Gedanken noch bei den Ereignissen des Tages. Du kannst nicht loslassen und hast dich noch nicht von dem zuvor Erlebten verabschiedet. Zu Hause wirst du überfallen mit Wünschen und Bitten und du merkst, dass du noch gar nicht dazu bereit bist. Du spürst schon körperlich die Enge.
Begleitet wird das Erleben von Enge vielleicht auch dadurch, dass du förmlich vergisst zu atmen oder dass du ganz hektisch, unregelmäßig oder viel zu schnell atmest.
Immer wenn es eng wird bist du nicht mehr gut in dem, was du tust. Du verlierst die Aufmerksamkeit für die Details. Du fühlst dich überfordert. Du verlierst den Überblick. Du bist angespannt. Du bist nicht mehr ganz präsent. Irgendwann versuchst du, alles „so ungefähr“ hinzubekommen, aber eben nur „so ungefähr“. Du hast das Gefühl, als ob du in einen anderen Modus schaltest. Wenn es eng wird, schaltetest du in den Funktionsmodus.
Eng kann es auch beim Kontakt mit Menschen werden. Ist dir folgende Erfahrung vertraut? Da steht dir jemand gegenüber und kommt dir mit seinem Gesicht näher. Er überschreitet diese imaginäre, unsichtbare und persönliche Körpergrenze immer mehr. Dir wird es unangenehm und du weichst instinktiv einen Schritt zurück. Dein Gegenüber bemerkt nicht einmal dein Unwohlsein und rückt nach. Du spürst die kurze Distanz förmlich wie eine Bedrohung. Es fällt dir immer schwerer, aufmerksam zuzuhören und du weichst wieder einen Schritt zurück. Was ist dein Impuls? „Es wird mir hier viel zu eng! Rück mir von der Pelle!“
Auf der anderen Seite sprechen wir von engen Freundinnen und einer engen Verwandtschaft. Dann geht es nicht um Einengung, sondern um unser Wohlgefühl bei einer positiv erlebten Nähe. Nicht jede Enge wird also automatisch negativ empfunden.
Die meisten „Engen“ jedoch bedürfen der Aufmerksamkeit und rufen nach einem sehr notwendigen Schritt. Wenn es eng wird, dann brauchst du zuerst einen Freiraum.
Stell dir eine Lehrerin in ihrem Klassenzimmer vor, die von allen Kindern körperlich gleichzeitig bestürmt wird. Sie wird sagen: „Macht mal erst Platz!“ Wenn du zu viele Aufgaben zur gleichen Zeit erledigen musst, dann ist es wichtig, sich zuerst inneren Freiraum und Platz zu verschaffen. Im Freiraum kannst du vom Funktionsmodus in einen entspannten Zustand umschalten.
Das Leben im Freiraum wird sich verändern. Du bekommst neue Impulse. Die Aufgaben lassen sich leichter bewältigen. Du fühlst dich im Fluss mit den Dingen und alles geht dir leicht von der Hand.
Ich kenne viele Menschen, die einem anderen Lebensprinzip folgen. Sie erledigen erst die vielen einengenden Aufgaben und atmen dann erleichtert auf. Sie gönnen sich erst den Freiraum, nachdem sie es sich „leisten“ können. Ich glaube, das ist ein Irrtum! So bewegst du dich von Anspannung zu Anspannung, von Enge zu Enge und von Erleichterung zu Erleichterung. Irgendwann bist du nur noch froh um die kurzen Augenblicke der Erleichterungen im Lauf der gewohnten Enge.
Um den Stall von Bethlehem herum gibt es viel Raum. Viel Freiraum! Da darf alles und da muss gar nichts sein. Du bist eingeladen aber es gibt keinen Besuchszwang. Allein die Vorstellung reicht aus, dass sich dein Herz weitet und der Freiraum vergrößert. An der Krippe will niemand etwas von dir. Nicht einmal beten musst du. Was immer du auch denkst oder machst, es wird nicht bewertet. Der Freiraum von Bethlehem lässt dich tief durchatmen. Schöpfe Kraft und sei einfach da. Du kannst diesen Freiraum im Außen finden, vielmehr noch im Innen.
Du hast es in der Hand. Du kannst eine Entscheidung treffen und für einen Moment innehalten: Stopp sagen und den Herzensraum weiten. Und wenn dir jemand zu nahe in dein Gesichtsfeld tritt dann kannst du sagen: „Schön, dass du da bist und meine Nähe so schätzt. Aber ein paar Zentimeter mehr Abstand lässt meine Sympathie zu dir noch wachsen.“ Dann atmest du tief ein und füllst Bauch und Brustraum ganz aus mit deiner Gegenwart. Hier stehst du und nimmst den Raum ein, den du brauchst, um gut da sein zu können.
Zum Schluss
Wir haben viele Räume besucht und in keinem wirklich geblieben. Zugleich bewegen wir uns ständig in diesem großen Raum der Welt. Wir sind unendlich kostbare Teile dieses Weltenraumes. Dieser Raum ist so groß, dass wir uns darin verloren fühlen könnten. Aber wenn ich die Unendlichkeit des Weltenraumes in mein Bewusstsein hole kann er unendlich klein werden. Der Makrokosmos und der Mikrokosmos in meinem Bewusstsein. Darin darf ich den Spiegel des Göttlichen erkennen.
www.matthias-koenning.de
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