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Samstag, 30. April 2016

Das leben ist zu kurz für schlechtes Essen

"Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen", las ich im Schaufenster eines Naturkostladens. Mehr als fünfhunderttausend Einträge bei google wiederholen diesen Slogan. "Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen."
Ich esse gerne! Ich lebe gerne! Ich kann nicht auf Vorrat essen. Ich benötige jeden Tag neu meine Nahrung. Wenn ich heute esse, was mir schmeckt, geht es mir heute gut. Bin ich heute glücklich und zufrieden. Die Liebe geht durch den Magen! Wenn es mir gut geht schmeckt mir das Essen und wenn ich lecker esse, geht es mir gut. Ich weiß nicht, was morgen sein wird.
In meiner Kindheit gab es keine dicken Bohnen und keine Graupensuppe. Das erinnerte meine Mutter an den Krieg. An Zeiten, wo es nicht genug gab. Und wo das Essen oft schlecht war. Und wo auch schlechtes Essen half, den Tag zu überstehen.
Und manchmal fühle ich an einer Stelle in mir die Kriegsenkelseite. Die Abwehr von dicken Bohnen und Graupensuppe in meinem Herzen, als sei ich selbst noch mitten im Krieg. "Das Leben ist zu kurz für schlechtes Essen." Gibt es da so einen heimlichen Hintergedanken von "schlechten Zeiten", die auf uns zukommen könnten? Nach dem Motto: "Genieße den heutigen Tag. Heute bekommst du gutes Essen. Aber wenn die Bomben explodieren. Wenn wir überflutet werden von Flüchtenden. Wenn der Terrorismus zunimmt. Wenn die Ölquellen versiegen. Wenn die Reichen den Armen den letzten Cent genommen haben... Dann sieh zu, wo du gutes Essen herbekommst. Also! Komm und kaufe heute!"
Ich trete einen Schritt zurück und streife dieses Gespenst ab. Da spielt jemand mit meiner Angst und mit meinen Befürchtungen und mit meinen unbewussten Glaubenssätzen. Ja, ich werde heute essen und ich werde gut essen! Aber ich lasse mich nicht anstecken von den Unkenrufen nach einem eventuellen kurzen Leben. "Das Leben ist kurz!" Ist nur ein Gedanke! Ein Gedanke in meinem Kopf! Einer, der ein Gefühl auslösen will. Am Ende des Gefühles steht die Aufforderung: "Komm rein und kauf bei mir!"
Jetzt habe ich es durchschaut! Die Buchstaben im Schaufester sind überdimensional groß. Nicht angemessen! Ein wenig kleiner dürften sie sein. So klein, dass ich noch das köstliche Obst und Gemüse sehen kann. Den Spruch vergesse ich! Aber das Gemüse lädt mich ein!
www.matthias koenning.de

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