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Donnerstag, 9. Oktober 2014

Liebe, die vergeht, ist der Schatten der Liebe; wahre Liebe ist ohne Anfang und ohne Ende. (Hazrat Inayat Khan)

Liebe ereignet sich immer in der Gegenwart, im Augenblick und im Hier und Jetzt.
Manchmal höre ich den Satz von Paaren: "Wir lieben uns!" Dann würde ich gerne zurückfragen: "Jetzt in diesem Augenblick? Woran merkt ihr das?" Liebe ist wie eine Energie, die fließt. Wenn du über sie redest sprichst du über etwas, das in der Vergangenheit liegt allein schon deswegen, weil du gerade im Kopf und im Nachdenken bist. Du bist dann nicht mehr im Vollzug des Liebens. Ich möchte dazu einen Vergleich anstellen.
Kennst du den Unterschied zwischen einer Speisekarte und dem Essensvorgang selbst? Wenn du eine Speisekarte liest, dann liest du nur, du isst nicht! Du liest, was du essen könntest. Du stellst dir all die wunderbaren Speisen vor. Du entwickelst eine große Vorfreude zu den Gerichten, die du möglicherweise bestellen wirst. Egal, wie lange du liest und wie viel du dir auch in deiner Phantasie vorstellst: Es wird immer nur eine Speisekarte sein, in der du liest. Lesen und essen sind wie zwei verschiedene Welten. Speisekarten kannst du auch lesen so oft und so lange du willst. Essen kannst du nur das, was gerade vor dir steht. Irgendwann ist dein Bauch voll und der Teller leer. Die erste Gabel schmeckt dir wahrscheinlich anders als die letzte.
So ähnlich möchte ich es mit der Liebe vergleichen. Wenn ein Paar über die Liebe spricht, dann sprechen sie im Augenblick über ewas, das sie einmal empfunden haben, vielleicht sogar in der jüngsten oder allerjüngsten Vergangenheit. Aber ob sie sich gerade lieben könnte völlig anders sein. Vielleicht ist er gerade in den Gedanken bei seiner Arbeit oder seinen Fehlern und sie ist bei ihm. Aber sie merkt es nicht. Es fließt Energie von ihr zu ihm aber nicht von ihm zu ihr.
Weil Liebe im Augenblick geschieht, hat sie etwas Ewiges an sich, ohne Anfang und ohne Ende. Wenn du an den Anfang der Liebe denkst, dann denkst du eben gerade und erlebst nicht. Erinnerungen kommen hoch: "Ach, war das damals schön!" Du wärmst ein altes Gefühl auf und reaktivierst es. Das muss aber nichts bedeuten für den gegenwärtigen Moment. Wenn du an das Ende denkst und dir in den Sinn kommt: "Unsere Liebe möge nie vergehen!" In diesem Augenblick bist du bei Sorgen und Zukunftsängsten und nicht mehr bei deiner Liebe.
Überlege einmal im Rückblick, wie häufig du am Tag in der Liebe bist? Schaffst du es 24 Stunden, rund um die Uhr? Wenn du das schaffst, dann bist du völlig göttlich! Das Ziel finde ich erstrebenswert: Freundlich sich mit jedem Geschöpf der Erde verbinden, auch mit sich selbst. Vielleicht kannst du ein wenig üben, indem du ein Wort in deinem Herzen bewegst. Du stellst dir die Person in deiner Phantasie vor, mit der du eine gute Verbindung hast und sprichst das Wort: "Jetzt". Dann genieße, was geschieht und beobachte zugleich, wo sich etwas regt in deinem Körper. Wird es warm oder kalt? Wo wird es warm oder kalt? Was entwickelt sich jetzt? Immer wieder sagst du das Wort: "Jetzt" und bleibst bei der Person, mit der du dich verbindest.
Es ist bestimmt angenehmer, in der Sonne der Liebe zu sein, als im Schatten zu frieren.  
www.matthias-koenning.de

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