Ich mag es sehr bei einer Aufgabe, die ich erfüllen muss auch eine Lösung zu finden. Menschen kommen zu mir in die Beratung, damit sie für ihr Problem eine Lösung finden. Und eigentlich besteht der ganze Tag darin, für irgendetwas eine Lösung zu finden.
Bei den
automatisierten Prozessen bemerkst du es noch nicht. Du stehst morgens auf und
springst unter die Dusche, kochst dir deinen Kaffee und frühstückst. Ständig
„findest“ du Lösungen für etwas, was du bewältigen möchtest. Erst jenseits der
automatisierten Aufgaben wird dir das bewusst. Wann kaufst du im Supermarkt die
Sonderangebote? Nimmst du heute einen Schirm mit oder vertraust darauf, dass es
trocken bleibt? Nimmst du die Einladung an oder lehnst du eher ab? Wenn du dich
gut entscheiden kannst, fühlt sich das an wie eine Lösung. Du löst etwas und es
geht weiter. Ich mag es nicht so, wenn etwas über einen längeren Zeitraum
stockt. Ich mag es, wenn es weiter geht. Wenn nicht, fühlt es sich an, als ob
ich zugleich bremse und den Fuß aufs Gaspedal setze. Ich komme nicht voran, verbrauche
aber viel Energie. Schwierig wird das Leben, wenn es gar nicht mehr vorangeht,
aber ich darunter leide. Dann empfinde ich die Sackgasse als Problem. Dann
fängt die Herausforderung an. Wie weiter? Ich kann meine Aufgaben liegen
lassen. Sie ignorieren. Unter der Ausweglosigkeit leiden und in die Depression
abrutschen. Oder?
Henry
Ford plädiert für eine andere Sichtweise. „Probleme sind verkleidete Möglichkeiten.“
Mir gefällt die Vorstellung, dass Probleme nicht einfach Probleme sind. Ich
stelle mir vor, dass jemand zu mir in die Beratung kommt mit dem Auftrag, dass
er an Möglichkeiten glaubt angesichts seines Problems. Dass er sie im
Augenblick nur nicht erkennen kann. Die meisten Menschen sind ja klug genug,
das eine oder andere Problem zu lösen. Seit frühester Kindheit gehört es zum Lebensprogramm,
dass wir Aufgaben gestellt bekommen und sie in der Regel auch gut lösen. Wir
lernen, wie wir wieder aufstehen können nachdem wir hingefallen sind. Wir
lernen, wie wir mit einem Löffel den Brei von der Schüssel in den Mund bewegen
ohne zu schlabbern. Wir weiten unsere Fähigkeiten aus je nach Anforderung. Wir
bauen auf dem Wissen auf, das wir in uns tragen. Wenn ich mal eine Schraube
gelöst habe werde ich andere Schrauben von anderen Gegenständen auch lösen
können. Erst, wenn ich meine Aufgaben nicht lösen kann und darunter leide, wird
es zu einem Problem.
Ich habe mich mit meinem Verstand angestrengt.
Ich habe alles probiert und es lässt sich nicht lösen. Dann wird es für mich zu
einem Problem. Ich bin überzeugt davon, dass ich es nicht lösen kann. Weil ich
es nicht kann! Ich habe ja alles probiert! Aber was verändert sich, wenn mein
Problem nur aus verkleideten Möglichkeiten besteht? Dann würde es ja bedeuten,
dass ich es grundsätzlich lösen könnte. Wenn ich die Kleider ablege. Ich kann
meine Möglichkeiten im Moment nur nicht sehen, weil sie unter den Kleidern
verborgen sind.
Kann ich die Kleider selber ablegen oder
brauche ich dafür Unterstützung? Vielleicht kann ich es gar nicht erkennen,
dass ich gerade verkleidet bin. Es sieht nur ein Außenstehender. Der von außen
sieht mehr als ich selber. Wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Ich bin manchmal
blind für meine Möglichkeiten.
Es könnte doch hilfreich sein für mein
nächstes Problem, dass ich mir einfach vorstelle, dass ich gerade verkleidet
bin. Benebelt! Kurzsichtig! Ich könnte einen Schritt zurücktreten und mich von
außen wahrnehmen. Ich könnte mein eigener Coach sein und mich von außen mal
ganz neutral betrachten. Auch wenn ich von dort mein Problem nicht lösen kann
könnte ich mich dennoch von meinem Problem lösen. Ich könnte zu meinem Problem
sagen: "Du bist jetzt da. Aber ich entscheide mich dafür, dich nicht zu
lösen. Kann ja jemand anders machen. Kannst mich ja einfach mal in Ruhe lassen.
Mir die Ruhe geben, damit da ein Impuls kommt. Nicht aus dem Kopf, vielleicht
aus dem Bauch oder aus dem Herzen."
Wenn Probleme verkleidete Möglichkeiten
sind, lässt sich dann vom Kleid auf die Möglichkeiten schließen. Könnte ich mir
das "Kleid" anschauen und eine Idee bekommen, welche Möglichkeit sich
dahinter versteckt? Ich glaube, ja! Nicht jede Möglichkeit trägt das gleiche
Kleid. Bevor ich da aber weiter spekuliere müsste ich das mal ausprobieren. Bei
meinem nächsten Problem achte ich auf mögliche Verkleidungen. Eine Verkleidung
kann ich vielleicht schneller entdecken als die dahinter liegende Möglichkeit.
Die Möglichkeit sehe ich also nicht, aber immerhin schon das Kleid. Im Wort
Kleid höre ich das Wort „Leid“. Vielleicht ist mein Leid ein Hinweis auf diese
Möglichkeit. Ich leide wenn ich ein Problem habe. Dann schaue ich mir doch mal
mein Leid an. Was lässt mich genau leiden? Welches Bedürfnis kann ich im Moment
nicht erfüllen? Kann ich mein Problem besser lösen, wenn ich das verk-leid-ete
Bedürfnis kenne?
Und jetzt meine Gedanken in einem
konkreten Beispiel: Ich sollte einmal einen Vortrag halten und bekam das Thema
einfach vorgegeben. Mir gefiel die Überschrift nicht und auch den vorgesetzten
Inhalten konnte ich nicht zustimmen. Ich fühlte mich wie in einer Sackgasse. Da
gab es meine Verpflichtung im Rahmen meiner Aufgaben und zugleich diesen
starken Widerwillen. Das hat mich so blockiert, dass ich Tage darüber nachdenken
musste, nicht schlafen konnte, mein Magen sich verkrampfte und ich eine starke
Wut im Bauch spürte. Du erinnerst dich: „Probleme sind verkleidete Möglichkeiten.“
Wie finde ich hier einen Weg? Worin bestand bei mir die „verkleidete
Möglichkeit“?
Mir wurde klar, dass ich ein starkes
Grundbedürfnis nach Freiheit und Autonomie habe. Wenn mir das jemand wegnehmen
möchte, dann gehe ich in den Widerstand. Freiwillig, also mit der Freiheit,
nein sagen zu können, lasse ich mich gerne ein. Aber bei autoritärem Druck
versagt mein System. Die verkleidete Möglichkeit bestand also darin, diese
Wirklichkeit zu entdecken. Wie konnte ich meine Autonomie zurückgewinnen? Ich
nahm die Überschrift und wählte eine eigene „Unterüberschrift“. Den
vorgegebenen Inhalt ignorierte ich völlig, weil es eh nicht überprüft wurde,
was ich im Vortrag sagte. Damit ging es mir dann gleich viel besser.
Welche deiner Bedürfnisse werden
manchmal auf die Probe gestellt? Du wirst herausfinden, dass es oft nur um drei
Bereiche geht: Deine Bedürfnisse nach Sicherheit, Autonomie oder Verbundenheit.
Finde dein Bedürfnis heraus und finde heraus, wie du es anders, aber auch
wirksam erfüllen kannst. Ich wünsche dir viele Möglichkeiten beim entk-leid-en
deiner Probleme!
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