Ich hörte ein längeres sehr unterhaltsames und anregendes Radiointerview. Die Fragen waren interessant. Die Antworten waren lebendig. Da war eine Menge Resonanz zwischen den Interviewpartnern zu spüren. Normalerweise endet jedes Gespräch am Radio ähnlich. „Vielen Dank für die Zeit.“ Antwort: „Gerne!“ oder „Danke ebenfalls!“ Dieses Interview endete mit dem Satz des weiblichen Gastes: „Es war mir ein Fest!“
Als sie das sagte wurde es mir ganz warm ums Herz. Es war ihr ein
Fest. Es war keine Arbeit. Keine Anstrengung. Keine Pflichterfüllung. Es war
ihr ein Fest. Es war auch nicht „wie“ ein Fest. Also vergleichbar! Es war ihr
ein Fest.
Jetzt sitze ich und schreibe und denke und fühle: Ach, wie schön! Ich
schreibe hier für dich und es ist mir ein Fest. Als hätte ich gekocht, den
Tisch schön gedeckt und würde dich willkommen heißen und dir einen Platz
anbieten. Als würden wir gemeinsam sitzen und uns über die Begegnung freuen.
Als würden wir gemeinsam essen und uns austauschen. Und du würdest spüren, wie
sehr du das genießt. Wie sehr du es magst, gemeint zu sein.
Dann sitze ich und mache mir Gedanken und schreibe und stelle mir vor,
dass ich nicht so eine Art „Pflichtbrief“ schreibe, sondern ein Fest feiere mit
dir. Es ist mir ein Fest, etwas mit dir zu teilen, was in meinem Inneren gerade
geschieht, oder was mir begegnet ist. Oder worüber ich gerade so nachdenke.
Ich sitze an meinem Schreibtisch und schaue auf meine Ablage, auf
meine Stifte und auf diverse Kleinigkeiten. Normalerweise ignoriere ich sie.
Ich nutze sie, wenn ich sie brauche. Sie haben keine große emotionale
Bedeutung. Jetzt aber stelle ich mir vor: „Es ist mir ein Fest!“ Ich sitze an
meinem Schreibtisch und sage zu meinen Stiften: „Es ist mir ein Fest.“
Plötzlich entsteht eine Beziehung zwischen den Gegenständen und mir. Als würde
ich durch diesen Gedanken alles in meinem Umfeld beleben. Das Arbeitszimmer
wird zu einem Festsaal.
In der ersten Februarwoche musste ich bei Schneefall zur Arbeit. Alle
Autos fuhren vorsichtig und ich brauchte viel länger als sonst. Ich fuhr in
einer langen Kolonne mit vielen langsam fahrenden Autos. „Normalerweise“ mache
ich mir dann Druck. „Kann das nicht etwas schneller gehen!“ „Ich komme nicht
rechtzeitig und muss dann nacharbeiten!“ „Hoffentlich passiert nichts!“
Normalerweise!
An diesem Februarmorgen aber fuhr ich in der Kolonne und hatte noch
das Wort im Ohr: „Es war mir ein Fest.“ Und plötzlich verschwand der Druck
völlig. Ich wurde heiter und gelassen. Gedanklich nickte ich allen in meiner
Kolonne und im Gegenverkehr zu. „Es ist mir ein Fest!“ „Ich bin einer von euch.
Wir sind eine große Schar gemeinsam unterwegs zu verschiedenen Zielen. Wir verbinden
uns und schaukeln hier diesen Schnee. Wir lassen uns nicht beeindrucken von dem
Wetter. Wir genießen gemeinsam diese weiße Landschaft. Und es ist mir ein Fest,
einer von euch zu sein.“
Was geht jetzt in dir vor, wo du das liest und mit dem inneren Ohr
hörst? „Jetzt übertreibt der aber!“ „Das ist aber ein bisschen abwegig!“ „Ja
doch, das hat was!“ „Ich habe ganz andere Situationen, wann es mir ein Fest
ist.“ „Da muss schon wirklich was Außergewöhnliches passieren, dass ich so
einen Satz sagen würde.“ In welchen
Situationen bekommst du das Gefühl, dass dir etwas wie ein Fest wird? Kommt es
dabei auf äußerliche Umstände an wie ein Geburtstag oder eine Hochzeit?
Als ich in diesem Interview aufhorchte bei diesem Satz, wurde ich auf
einmal sehr lebendig. Auch mir war es ein Fest. Ich war bei diesem Interview
dabei. Das wurde mir erst bei diesem Satz bewusst. Ja, ich war der Teil eines
Festes dieses Studiogastes. Ich war ein Gast.
Dieser Satz lädt mich ein, damit noch ein wenig tiefer zu gehen. Ich
komme als Baby auf diese Welt und erlebe etwas. Den engen Geburtskanal, die
Kälte und das grelle Licht draußen. Die fremden Stimmen und ungemütliche
Positionen. Ich erlebe Liebe und Zuwendung. Ich muss aber auch schwierige
Situationen meistern. Ich werde älter und älter und drücke dem Leben folgenden
Stempel auf: „Leben, dich muss ich meistern. Ich muss bestehen. Es ist eine
Anstrengung. Es ist oft schön und zugleich auch herausfordernd. Ich schwanke
zwischen Gelassenheit und Anspannung. Hallo Leben, du bist nicht ohne!“
Ich kann aber auch auf die Welt kommen durch den engen Geburtskanal
und das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Ich kann zwar noch nicht gut
bewusst denken und klare Sätze formulieren mit meinen Babywerkzeugen. Aber ich
kann rückwirkend mir vorstellen, wie ich in das Leben trete und sage: „Es ist
mir ein Fest.“ Damit erschaffe ich mir gleich ein Lebensprogramm. Es würde sich
so anfühlen, als sei ich ein König der auf einem roten Läufer den Festsaal
betritt. „Es ist mir ein Fest!“ in dieses Leben einzutreten und zu einem Teil
davon zu werden.
Wenn du das Leben eher wie eine Bürde oder eine Pflichtveranstaltung
wahrnimmst könnte dieser Satz eine hilfreiche Intervention sein. Gedanklich und
mit deinen inneren Bildern gehst du zum Anfang zurück. Du drehst den Film
deines Lebens einfach noch einmal neu. Jetzt aber nicht mehr unbewusst mit den
Babywerkzeugen, sondern klar, bewusst und entschieden. Du als erwachsener
Mensch nimmst dein inneres Baby mit in dein Herz. Du rutscht voller Vergnügen
mit deinem Baby durch den Geburtskanal und betrittst diese Welt. Du nimmst
wahr, wie du von der Welt empfangen wirst. Alle strahlen dich an und heißen
dich willkommen. Ein wohliger Schauer durchflutet deinen erwachsenen Körper.
Dein inneres Baby wird dabei überflutet von Glückshormonen. In der Welt angekommen
genießt du diesen Augenblick und hältst inne: „Es ist mir ein Fest!“
Letztlich geht es darum, dass du dir deiner eigenen Würde bewusst
wirst. Du bist nicht zufällig da. Du bist nicht einfach dem Schicksal des
Lebens ausgeliefert. Du bist bewusst und entschieden hier. Du nimmst nicht nur
deinen Platz in Anspruch als ob du kämpfen müsstest. „Auch ich darf mal
mitmachen.“ Wenn du dir deiner Königswürde bewusst wirst musst du nicht mehr
kämpfen oder dich rechtfertigen. Es wird dir zum Fest. Das Leben wird dir zum
Vergnügen. Und jetzt ist es mir ein Fest, meine Augen zu schließen und in die
Stille abzutauchen. Dich zu meinen und mit dir zusammen zu sein und das
Gemeinsame zu genießen. Du und ich, wir schön zusammen!
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