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Samstag, 9. März 2024

Die Kunst des indianischen Weges


Ich las von einem alten Indianer, der mit seinen Enkelkindern unterwegs war. Er forderte sie dazu auf, für alles am Weg aufmerksam zu sein. Irgendwann blieb er stehen und fragte die Kinder, was es dort besonderes gäbe. Die Kinder schauten sich um und konnten nichts außergewöhnliches entdecken. Der alte Indianer zeigte nach oben in den Baum und wies auf eine Eule hin.
"Wie konntest du die Eule sehen, wo du doch die ganze Zeit auf den Boden geschaut hast?" bemerkte einer von den Kleinen. "Es liegt an den Mäusen", erwiderte der Großvater. "Weit und breit ist am Boden keine Maus zu sehen. Die Mäuse kommen nur, wenn es keine Gefahr gibt. Darum war mir klar, dass im Baum eine Eule sitzen muss."
An dieser Geschichte imponiert mir, dass der Indianer die Zeichen lesen konnte. Er muss nicht die Eule sehen um zu wissen, dass sie da ist. Am Fehlen der Mäuse erkennt er die Anwesenheit der Eule.
Wie würde unser Leben aussehen, wenn wir uns in dieser Kunst üben könnten, die Welt so wahrzunehmen. Klar, wenn  es auf der Straße stinkt wissen wir, dass wir in der Nähe eines Feldes sind, wo gerade Gülle ausgefahren wird. Kondensstreifen am Himmel deuten an, dass dort gerade ein Flugzeug vorbeizog. Es geht eher um die Kunst, quasi um die Ecke zu denken.
Der Indianer findet seine Orientierung mit Hilfe der Mäusesicht. Er taucht in diese Welt ein und denkt von da aus. Das ließe sich doch auch auf uns übertragen. Du könntest zum Beispiel einen ganzen Tag lang die Welt mit den Augen und dem Bewusstsein eines Kindes betrachten. Du steigst in die Welt eines Kindes ein und fühlst und denkst so wie es. Du hast die gleiche Körpergröße, das gleiche Wissen und die gleichen Fähigkeiten. Was geschieht, wenn du das machst? Wirst du vielleicht neugieriger, unbeschwerter oder unmittelbarer?
Die Prärie mag ja voller Mäuse sein, darum ist ihre An- oder Abwesenheit für die Deutungen des Lebens hilfreich. Wir müssten etwas anderes finden als Mäuse in unserer Zivilisation. Was kommt bei uns denn häufig vor und könnte gut als Indikator dienen? Aus der Sicht eines Vogels? Oder eines Autos?
Nicht so leicht! Meine Idee heißt: Immer mal wieder das eigene "Ich" verlassen und die Perspektive wechseln. Sonst besteht die Gefahr, dass du denkst, die Welt ist so, wie du sie siehst. Aber die Welt ist nicht so! Es könnte sein, dass deine Welt vielfältiger wird, wenn du hin und wieder die Perspektive wechselst. Du kannst dir auch vorstellen, dass du alles wahrnimmst mit dem Grundgefühl von Liebe! Was geschieht dann mit dir? Du könntest dich auch dafür entscheiden, dass du denkst: Alle wollen etwas von dir! Was geschieht dann? Du wirst feststellen, dass du selbst auf einmal mehr bist als das "Ich", das gerade etwas wahrnimmt. Du gehst nach außen und nimmst etwas wahr. Du kehrst zu dir zurück und nimmst das Neue mit in dir hinein. Das wird dich verändern und deiner Weiterentwicklung dienen. So lernst du die Kunst des indianischen Weges.

www.matthias-koenning.de

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