(Den ersten Teil des Textes findest du auf meiner Seite, den zweiten Teil auf der Homepage von meiner Kollegin Dagmar Cassiers!)
In dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gab es zu meiner
Kinderzeit ein paar wenige Menschen, über die nicht mit ihrem Nachnamen sprachen
sondern mit ihrer Berufsbezeichnung. Zu diesen Personen gehörten der Doktor, der
Pastor, der Polizist und der Apotheker.
Die Hebamme gehörte auch dazu. In meiner Erinnerung gab es für
viele Jahre nur eine davon im Dorf. Darum hieß sie „die“ Hebamme. Sie war bei
meiner Geburt dabei und bei den Geburten meiner Geschwister. Meine Mutter
sprach mit Respekt von ihr und zugleich spürte ich im Reden auch ein Tabu.
„Frag nicht näher! Darüber spricht man nicht! Das ist mir unangenehm.“ Warum,
das kann ich nur vermuten. Immerhin wurden wir von unseren Eltern sexuell nicht
aufgeklärt. Überhaupt nicht. Sexualität war ein Thema, das einfach in der
verbalen Kommunikation nicht vorkam.
Aber mir geht es hier und heute um die Hebamme. Ich finde,
dass es sich lohnt ihr mehr Aufmerksamkeit zu widmen und ich lade dich zum
virtuellen Spaziergang ein.
Ich stelle mir vor, wie ich im Bauch meiner Mutter aufwuchs
in den ersten Monaten meines Lebens. Im Bauch meiner Mutter erlebte ich meine
erste geschlossene Welt. Dort gab es nur mich und meine Mutter. Dann gab es
noch Geräusche, Licht und Traumzustände. Und es gab Veränderungen. Am Ende der
Schwangerschaft die erste richtig große. So wie du und jeder andere Mensch
musste ich raus in die Welt. Raus aus der dunklen Höhle und hinein in das
grelle Licht der großen und weiten Außenwelt.
Ich wusste nicht, dass da draußen in der Nähe des Bauches
meiner Mutter eine andere Frau stand. Eben die Hebamme. Eine, die spürte. Die
hörte. Die beruhigte. Die ermunterte. Die ermahnte. Eine Frau, die eine Fülle
von Möglichkeiten kannte, Mütter zu begleiten und Kinder zu unterstützen, auf
die Welt zu kommen. Zum Zeitpunkt meiner Geburt konnte ich meinen Verstand noch
nicht voll und ganz nutzen. Sonst hätte ich diese Hebamme als ersten fremden
Menschen bewusst wahrgenommen. Eine fremde Frau hat mich „gehoben“ und
stellvertretend „bemuttert“. Die Übersetzung des Wortes „Hebamme“ bedeutet so
viel wie „Hebemutter“.
Meine „Hebemutter“ hat schon Wochen vor meiner Geburt
angefangen mich zu beobachten und wahrzunehmen. Wie geht es meiner Mutter und
wie weit bin ich in meinem Reifungsprozess. Erst, als alle Parameter stimmten,
ging es los mit der Geburt. Alles an mir war fertig und ich war bereit zum
Aufbruch durch den Geburtskanal. Es fehlte nur noch der letzte Impuls.Hier geht der Text weiter auf der Seite von Dagmar Cassiers
www.matthias-koenning.de
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