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Donnerstag, 30. Juni 2016

Kann ich das vom Bett aus machen?

In meiner Kindheit gab es etwas, das so schwer wog wie ein Verbrechen. Das ging überhaupt nicht! Das war verpönt. Dafür wurden wir ausgeschimpft. Das wurde uns ausgetrieben. Aus allen Körperzellen. Null Toleranz! Kein Verständnis! Nicht einen Hauch. Wovon spreche ich?

Von der Faulheit. "Sei nicht so faul!" "Bist du schon wieder faul gewesen?" "Häng nicht so rum!" "Was sollen die Leute von uns denken!" "Du musst es dir verdienen!" "Im Leben wird dir nichts geschenkt!" "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!" "Wenn du etwas nicht weißt, das ist nicht so schlimm. Aber Faulheit muss nicht sein!"

Da sitzt du gerade fünf Minuten auf dem Sofa und hast mit einem Buch begonnen, kommt die Mutter herein: "Hast du nichts besseres zu tun? Hast du schon die Hausaufgaben erledigt?" Sie scheucht dich hoch. Immer wieder! Bis du es verstanden hast. Erst wenn alles erledigt ist, darfst du dich hinsetzen. Ausruhen als Belohnung von der Arbeit. Und während des Ausruhens darfst du zugleich überlegen, was du danach machst. Denn die Faulheit sitzt mit im Sessel. Sie sagt dir: "Na, willst du nicht sitzen bleiben? Ist doch schön - die Muße und das Nichtstun, oder? Verweile noch!" Die Faulheit hat den Gedanken geäußert und du hörst die Stimme deiner Mutter: "Jetzt ist es genug. Nicht dass du hier Wurzeln schlägst. Im Keller muss noch aufgeräumt werden. Du hast dich lange genug ausgeruht!"

Jetzt lese ich auf dieser Postkarte das Motto des Tages: "Kann ich das vom Bett aus machen?" Das hätte ich als Kind mal meiner Mutter sagen sollen. Sie hätte wäre zu einer Furie geworden. Sie hätte mich gejagt. Sie hätte mir diese Gedanken ausgetrieben und mir verboten, je in meinem ganzen Leben wieder einen solchen Satz zu sagen.

Und jetzt mache ich da mal einen Punkt. Wie bist du groß geworden? Welcher Erziehungsstil hat dich geprägt? Gehörst du zu den Menschen, die faul sein durften? Oder wurde bei dir viel Wert auf Fleiß gelegt? Ich könnte in Gedanken durch meine Schulklasse gehen und Fleißkärtchen verteilen. Ich wusste, in welchen Familien Fleiß groß geschrieben wurde.

Zugleich wird mir bewusst, wie sehr die Erfahrungen aus der Kindheit in den Körperzellen eingeschrieben wurden. Heute "arbeite" ;-) ich ein wenig an der Korrektur, am anderen Pol. Ich hänge mir diese Postkarte ans Herz und sage mir: "Kann ich das vom Bett aus machen?" Ich spüre dem nach, wie fremd sich das anfühlt. Ich lehne mich für einen Moment zurück und atme tief durch. Meine Seele sagt mir: "Das tut jetzt aber gut! Darauf habe ich schon lange gewartet. Danke!"
www.matthias-koenning.de

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