Im Oktober feiern wir
Erntedank. Wir sammeln die Früchte der Erde und der Arbeit ein und sagen Dank.
Bei dem „Gedanken“ an den Oktober kamen mir auf einmal die Wortverwandtschaft
von „Schöpfung“ und „Erschöpfung“ in den Sinn.
Zunächst einmal sind wir
als Erschaffene alle selbst Schöpferinnen und Schöpfer – gemeinsam und in Verbundenheit
mit der großen Schöpfungskraft. Wir engagieren uns in unseren Aufgaben, wir
bewegen und verändern die Dinge. Wir denken, fühlen und handeln.
Der Gärtner in seinem
Garten erlebt zwar den ursprünglicheren und natürlicheren Ablauf von Säen,
pflegen und ernten. Aber auch wir Nichtlandwirte leben in Abläufen. Wir hatten
im Frühjahr vielleicht eine schöpferische und kreative Idee. Wir haben geplant
und umgesetzt und blicken jetzt hoffentlich dankbar auf die Ergebnisse.
Du hast vielleicht
unterrichtet, Seminare gegeben, Kinder begleitet oder dein Haus instand
gehalten. Du hast Liebe und Kraft gegeben und die vergangenen Monate gestaltet.
Manche Ergebnisse mögen nicht sicht- und greifbar wie die Früchte des Feldes.
Aber du erntest sie wie einen Schatz von Erkenntnissen und neu dazugewonnen
Weisheiten.
Dabei wohnt in dir eine
Schöpferkraft, die gestalten kann und die bewegt. Bist du dir dieser Kraft
bewusst? Kannst du zu dir sagen: „Ja! Das war ich! Ich habe das alles in diesem
Jahr erreicht! Ich war gut angebunden an meine Quelle. Ich bin hoch zufrieden
mit meinen Ergebnissen!“ Du hast vielleicht Hürden und Hindernisse überwinden
müssen. Du warst bei manchen Aufgaben kurz vor der „Aufgabe“. Du hast
vielleicht auch kleine „Missernten“ hinnehmen müssen. Du hast Energie und Kraft
in die Arbeit hineingelegt. Du warst liebevoll, achtsam und fürsorglich mit den
Menschen und mit den Dingen. Am Ende wirst du mit dem leben müssen, was als Ergebnis
vor dir liegt. Es mag dir wenig oder viel erscheinen.
Nach dem Schöpfen kommt
die Erschöpfung. Wenn die Mutter das Kind auf die Welt bringt, kommt die
Erschöpfung. Wenn die Erde die Früchte hervorgebracht hat erlebt auch sie die
Erschöpfung. Die Erde kann für den Augenblick nichts mehr hergeben. Auch die
Erde ist erschöpft. Die Energie ist geflossen und es braucht eine Zeit der
„Rekreation“. Ein schönes Wort: „Rekreation“! Du brauchst Zeit, dich zu erholen
und zu erfrischen. „Creare“ heißt erschaffen und „recreare“ meint dann vielleicht den Zeitraum, den es
braucht, um wieder in die Schöpferkraft zu kommen.
In unserer Zeit des
pausenlosen Schaffens fällt das vielen Menschen schwer. Sitzen, nichts tun, die
Hände in den Schoß legen. Es geht darum, nach der Schaffensperiode einfach
auszuruhen. Auch hier steckt die Botschaft im Detail. Du bist eingeladen, so
lange zu ruhen, bis die Ruhe „aus“ ist. „Ausruhen“ meint also, nicht zu früh wieder anzufangen sondern
sich so viel Zeit zu lassen, wie es braucht.
Ich gehöre leider auch zu
den Menschen, die immer vorzeitig schon aufstehen und weitermachen. Ich gönne
mir die Tasse Kaffee am Nachmittag. Aber der letzte Schluck bringt mich schon
wieder in Bewegung. Es fällt mir schwer, noch einen Moment innezuhalten und
dann noch einen Moment innezuhalten und dann noch einen Moment... Da fängt
plötzlich das Kribbeln an und die Botschaft: Komm, Zeit ist Geld! Du musst noch
so viel erledigen! So „erledigst“ du, bis du „erledigt“ bist.
Mir geht es dabei sehr um
die Aufmerksamkeit für den Übergang. Es gibt einen Übergang von der Erschöpfung
hin zu dem Wiederaufnehmen des Schöpfens. Denn nach der Ruhephase gibt es ja
auch den Augenblick der Freude und der Wiederbelebung der Kräfte: „Jetzt geht
es los!“ Wann kommt der Augenblick, wo es stimmig ist? Bist du wirklich schon
so weit? Kannst du wieder loslegen?
Wenn du immer zu früh
anfängst mit der Arbeit und diesen Zeitraum zu lange ausdehnst, wirst du die Balance
im Leben verlieren. Ich kenne genug Menschen, die gar nicht mehr in der Lage
sind, sich der Muße hinzugeben. Jetzt im Oktober und mehr noch im November
werden wir uns ausruhen dürfen.
Alle Religionen teilen die
wohltuende Erfahrung des Wechsels von Arbeit und Stille. Auch die Bibel erzählt
von dem Schöpfergott, der am siebenten Tag ruhte. Er besah sich sein Werk und
stellte fest: „Siehe, alles war sehr gut!“
Das „Ausruhen“ bekommt dann noch eine neue und tiefere
Qualität. Neben dem Kraftsammeln für neue Taten geht es um viel mehr. Im
Innehalten wächst und verändert sich dein Bewusstsein. Du wirst dir bewusst,
dass du ein schöpferischer Mensch bist. In der Stille wächst die Freude über
das Geschaffene. In der Ruhe reift das Gefühl der Dankbarkeit wie die Süße in
den Trauben an den letzten Sonnentagen vor der Ernte. Im Innehalten zu genießen
wird dir helfen, in das Bewusstsein von Verbundenheit zu kommen. Du bist
verbunden mit dir selbst, mit der Schöpfung, mit den Menschen und der Quelle,
die ich Gott nenne. In diesem Sinne
wünsche ich dir eine erntereiche Ausruhzeit.
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