Fastenzeiten werden oft zum Anlass genommen, seine eigene Einstellung zum Leben zu überdenken. Häufig geht es dabei um nach außen gerichtete Defizite. Wir wollen für eine Zeit unsere Nahrungsaufnahme verändern, weil wir mit dem Körper unzufrieden sind, verzichten auf Alkohol oder Fernsehen, weil wir uns davon abhängig glauben oder finden etwas Ähnliches. Im Hintergrund steht oftmals der Gedanke: ich bin nicht richtig, ich sollte anders sein! Dir fallen die vielen Defizite ein und der Mangel, in dem du dich befindest. Du gelangst zu der Erkenntnis: ich müsste so vieles in meinem Leben verändern! Es fällt mir schwer, so zu sein, wie ich bin! Je nachdem, könnte da eine lange Liste der Unzulänglichkeiten zusammenkommen. Ich bin zu dick, ich bin zu gierig, ich denke zu schlecht über andere, ich bin nörgelig und unzufrieden, ich bin zu perfektionistisch, ich bin zu überpünktlich, ich komme immer zu spät, ich kann dieses nicht richtig und jenes nicht richtig. Aber der Andere kann es auch nicht richtig und ich schäme mich dafür, dass ich den Anderen dafür kritisiere. Wenn ich diese Liste jetzt noch länger fortsetze, wirst du diesen Newsletter schnell zur Seite legen, oder?
Da
lebt jemand in uns, den wir alle gut kennen. Es ist ein Er oder eine Sie.
Dieses Wesen ist immer auf dem Sprung. Es ist immer in „Hab Acht Stellung“. Es
ruht sich so gut wie nie aus und beobachtet uns mit Argusaugen. Es beobachtet,
was wir sagen, was wir tun, ja sogar, was wir denken und fühlen. Die erste
Reaktion dieses Wesens ist unübersehbar: du bist nicht richtig! Wenn dieser
Gedanke auftaucht, war mit Sicherheit dieses Wesen am Werke. Ich möchte nicht
länger drum herum reden und ihn oder sie an das Licht der Öffentlichkeit
bringen. Das gefällt ihr oder ihm nicht, muss aber sein. Ich rede vom Kritiker,
dem inneren Kritiker oder der Kritikerin. Dieses Wesen kann uns das Leben zur
Hölle machen. Erinnerst du dich noch an die Dame aus der Lenorwerbung? Es ist
schon lange her, aber sie war die Perfektion der kritischen Hausfrau und wusste
genau, was der Wäsche fehlte und was die Frau falsch machte.
Bei
meiner letzten Weiterbildung saß ich mittags an einem Tisch, vor mir einen
Teller mit Kartoffeln und Gemüse. Eine andere Teilnehmerin lud ihren Teller am
Buffet voll und setzte sich zu mir. Ich sagte zu ihr: „Ah, du lässt es dir ja
gut gehen!“ Daraufhin schaute sie mich entgeistert
an: „Wieso? Ist das zu viel? Habe ich jemandem etwas weggenommen? Oder meinst
du, ich bin eh schon zu dick?“ Ich sah die vielen zusätzlichen
unausgesprochenen Sätze wie: „Du Idiot, schau dir doch deinen eigenen Teller
an, der ist mindestens ebenso voll…“ Dabei wollte ich mit ihr nur in einen
Kontakt kommen, mehr nicht. Ich hatte gar keine Wertung im Kopf, eher die
Freude, dass es ihr so schmeckt.
Aber
so ist das. Die Kritikerin oder der Kritiker springt unglaublich schnell in uns
an. Wenn du ihn einmal loslässt, rotiert er in deinem Kopf bis er sich
erschöpft hat. Ein Teller mit Gemüse reicht völlig aus.
Auf
der anderen Seite brauchen wir auch unseren inneren Kritiker. Er will uns
helfen, dass wir uns weiterentwickeln und dass wir unseren Platz im Leben
finden. Oftmals jedoch schränkt er unser Leben arg ein.
Kommen
wir zur Fastenzeit. Der Kritiker und die Kritikerin liebt diese Zeit. Da kann
er oder sie nach Herzenslust die Fehler und Schwächen gnadenlos anschauen. Es
sei denn… du fastest. Verzichte doch mal auf deinen inneren Kritiker und schick
ihn für ein paar Wochen in die Wüste. Auch der Kritiker muss sich mal erholen.
Warum nicht gleich jetzt. Stell dir also vor, du sitzt vor einem großen Stück
Kuchen und dein Kritiker meldet sich: „na, denkst du an die Pfunde? Verlierst
du nicht an Attraktivität?“ und so weiter. Dann machst du es dieses Mal anders.
Rede mit ihm oder ihr etwa in folgender (männlicher oder weiblicher) Weise.
„Hallo,
lieber Kritiker. Danke für deinen Besuch. Aber heute habe ich dich nicht
eingeladen. Bis gerade war ich ganz im Frieden mit mir selbst und möchte es
noch ein Weilchen bleiben. Tu mir den Gefallen und mache für eine kleine Zeit
Urlaub. Jesus war übrigens vierzig Tage
in der Wüste und das hat ihm gut getan. Du musst es nicht genauso machen wie er,
aber such dir doch einen Ort aus, wo du mal ausspannen kannst. Ich gebe dir
sofort und augenblicklich Urlaub. Jetzt genieße ich dieses Stückchen Kuchen und
sage mir selbst diesen Satz: auch wenn ich jetzt ein Stückchen Kuchen esse
liebe und akzeptiere ich mich so, wie ich bin. Und auch wenn das Stückchen
Kuchen heute etwas größer ausgefallen ist als sonst, bin ich ganz in Ordnung,
so wie ich bin. Und auch wenn ich dieses große Stück Kuchen mitten in der
Fastenzeit esse, bin ich immer und ewig von Gott geliebt und nehme mich von ganzem
Herzen an, so wie ich bin.“
Meine
Anregung für die Fastenzeit ist einfach und schwer zugleich. Verzichte auf
deinen inneren Kritiker. Geh einfach in die Liebe zu dir selbst und sei mit dir
gnädig und barmherzig. Schau nicht darauf, was du tust, sondern frage dich, wer
du bist. Wenn du entdeckst, wer du bist, dann kann es Ostern für dich werden.
Einfach ist es, weil du nichts machen musst, nur in der Liebe sein. Schwer ist
es, weil der Kritiker so hartnäckig ist. Seit deiner Kindheit läufst du mit ihm
herum und er kennt dich durch und durch. Es könnte eine schöne tägliche
Fastenübung sein, sich immer wieder neu anzunehmen und Ja zu sich zu sagen,
ohne Vorbehalt und ohne Einschränkung. Für diesen Weg wünsche ich dir den Segen von Gott.
www.matthias-koenning.de
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