Die Gaben der Weisen aus dem Morgenland für das Jesuskind bestanden aus
Gold, Weihrauch und Myrrhe. So erzählt es uns das Matthäusevangelium. Dazu gibt
es natürlich die entsprechenden spirituellen Deutungen. Gold steht für die
Königswürde von Jesus, Weihrauch für sein Priestertum und Myrrhe für seine
Heilfähigkeiten.
Die Geschichte der Magier, Weisen oder Könige mit ihren wunderbaren
Geschenken inspiriert mich zum Nachdenken. Diese Gaben unterscheiden sich von
den üblichen Geschenken. Ich möchte mit dir mal einen Vergleich anstellen. Wenn
du selber einem Freund oder einem Familienmitglied zum Geburtstag etwas
schenkst suchst du ein Präsent aus? Aber nach welchen Kriterien? Schaust du in
erster Linie, worüber sich jemand freuen würde? Oder fragst du dich, ob ihm
etwas fehlt oder nützlich wäre. Überlegst du, was zu diesem Menschen passen
könnte? Vielleicht verschenkst du auch etwas, was diese Person so noch nicht besitzt.
Ein Buch, Blumen, ein Bild oder irgendeinen anderen Gegenstand. Oder eine
Einladung zu einem Ereignis oder einen Gutschein. Durch dein Geschenk machst du
das Leben des Beschenkten reicher. Du fügst also in der Regel etwas hinzu.
Wie war das bei den Königen aus dem Morgenland? Haben sie auch etwas zum
Kind hinzugefügt? Etwas, was das Kind reicher machte? Wenn ich die Armut im
Stall betrachte könnte es so sein.
Mich beschäftigt aber ein anderer Gedanke. Sie haben kein Geschenk im
traditionellen Sinne mitgebracht. Sie wollten nicht das Leben von Jesus
bereichern sondern eher etwas verdeutlichen. Sie haben etwas sichtbar gemacht,
was bislang unsichtbar oder verborgen war. Sie haben durch ihre Gabe deutlich gemacht,
wie sie dieses Kind wahrnehmen oder sehen. Sie sehen nicht mit ihren leiblichen
Augen das arme Kind in der Krippe sondern mit dem Herzen und ihrer Weisheit den
König, den Priester und den Heiler. Sie sagen also nicht: „Wie niedlich dieser
Kleine! Ach welch ein süßes Kind!“ Sie sehen vorweg, was in diesem Kind steckt
und wohin es sich entwickeln wird.
Und diesen Gedanken finde ich interessant. Es kommt nicht auf die
materielle Qualität der Gaben an. Nicht einmal der symbolische Wert ist wichtig.
Es kommt darauf an, was die Weisen in diesem Kind Jesus sehen.
Spannend wird jetzt die Übersetzung auf dein und mein Leben. Stell dich
doch einmal vor einen Spiegel und betrachte dich darin. Was oder wen siehst du?
Welche Qualitäten nimmst du bei dir wahr. Kannst du so weit gehen, dass du in
dir eine Königin, eine Priesterin oder einen Heiler siehst?
Oder siehst du einfach nur einen Mann oder eine Frau in einem bestimmten
Alter mit mehr oder weniger Falten und grauen oder sonstigen Haaren. Siehst du
die Spuren deiner Lebensgeschichte oder deine derzeitige psychische Verfassung?
Oder kannst du in den Spiegel schauen und entdeckst dort deine ganz
ureigene Qualität. „Ich bin ein Zuhörer, eine Zuhörerin.“ „Ich bin ein Tröster,
eine Trösterin.“ „Ich spiele mein Leben mit Leidenschaft und genieße alles was
ist.“
Worin liegt also deine Qualität jenseits von Bewertung von richtig und
falsch oder gut und schlecht. Was gehört so richtig zu dir. Ordnest du die
Welt? Erfindest du? Machst du Beziehungen? Gestaltest du etwas mit Materialien oder
besitzt du eine grüne Hand? Oder bist du vielleicht sogar ähnlich „gestrickt“
wie Jesus? Du blickst in den Spiegel und siehst erneut und jetzt noch
aufmerksamer hin. Königin? Heilerin? Zuhörer? Tröster? Göttin? Findest du es
vermessen, so über dich zu denken?
Was hat Jesus wohl bei sich wahrgenommen, wenn er sich gespürt hat. Sah
er in sich auch den König, den Priester und den Heiler? Oder war er angewiesen
auf das, was andere in ihm sahen oder über ihn sagten?
Ich vermute, dass es eher ein Wechselspiel ist. Wir brauchen ein
Gegenüber, dass uns etwas widerspiegelt. Deine Freundin oder dein Freund sagt
dir: „Du bist ein guter Zuhörer. Das schätze ich.“ Dann nimmst du den Gedanken
auf und prüfst ihn. „Ja, wo du das sagst, kann ich dem zustimmen. Das könnte
gut sein.“ Danach achtest du darauf und stellst mehr und mehr fest, dass du
wirklich gut zuhören kannst. Und so baust du diese Qualität aus allein durch
deine Aufmerksamkeit.
Wie viele Qualitäten und Fähigkeiten mögen in uns schlummern, die noch
nicht zum Leben erweckt wurden. Du selber bist blind für dich, weil du nur die
Runzeln und Macken siehst. Und die anderen haben es bei dir noch nicht gesehen
oder dir nie gesagt. Oder du warst nie in einer Lebenssituation, wo diese
Qualität gefragt war.
Haben deine Eltern früher deine Qualitäten gesehen und diese gefördert?
Wunderbar, wenn ja! Oder wurde nur nach den Notwendigkeiten gefragt wie: „Mach
ordentlich deine Schule! Sei aufmerksam. Sei höflich! Fall nicht auf!“ Wer hat
dich im Leben außerhalb des Elternhauses sonst auf deine Gaben aufmerksam gemacht?
Wer waren deine Förderer und Entwicklungshelfer?
Vielleicht möchtest du die Chance in diesem Jahr nutzen und dich
weiterentwickeln. Du könntest ja mal vertraute oder auch fremde Menschen
fragen: „Welche Qualitäten siehst du in mir? Was nimmst du bei mir wahr?“ Es braucht
allerdings ein wenig Mut, solche ungewöhnlichen Fragen zu stellen.
Vielleicht könnte umgekehrt dein nächstes Geschenk für einen Menschen
auch eine königliche Gabe wie bei den Weisen des Morgenlandes sein. Du gibst
also kein „materielles“ Geschenk sondern eher ein Symbol. Verschenke z.B. eine
Schachtel Streichhölzer mit dem Satz: „Wenn ich mit dir zusammen bin, dann gibt
es immer sehr zündende Ideen, weil du so lebendig bist. Danke für diese Gabe,
an der ich Anteil haben darf.“ Oder du schenkst eine Kerze mit den Worten:
„Wenn ich bei dir bin, dann strahlst du immer eine so willkommene Wärme aus,
die mir gut tut.“
Du überlegst also, welche Qualitäten sehe ich bei meinem Gegenüber. Wie
kann ich das, was ich sehe ausdrücken mit einem Symbol und mit entsprechenden
Worten.
Je mehr du deine eigenen Gaben kennst, desto bewusster kannst du sie
einsetzen und damit arbeiten. Es wäre doch schade, wenn du am Ende des Lebens
für immer deine Augen schließt und in der Anderswelt aufwachst. Von dort aus
siehst du auf einmal das Potential, dass in dir zu Lebzeiten schlummerte und
nie geweckt wurde. Du würdest denken: „Wenn ich das gewusst hätte, wäre mein
Leben anders verlaufen.“
Ich möchte dich zu Beginn des neuen Jahres einladen zu einer
Entdeckungsreise. Finde deine eigenen königlichen oder göttlichen Gaben. Da
werden die kritischen Stimmen auftauchen wie: „Sei nicht überheblich! Das ist
aber ganz schön nazistisch! Eigenlob stinkt!“ Du wirst deine eigenen
Hindernisgedanken und Sätze bestimmt kennen. Lass dich davon nicht
beeindrucken. Diese Sätze stehen wie Wächter vor einer Schatzhöhle und
verhindern, dass du deine Gaben entdeckst.
Sei gewiss: Sie sind auf jeden Fall da. Ohne jeden Zweifel! Du bist
voller königlicher Qualitäten! Du kannst dir beim Entdecken nur selbst im Wege
sein. Stell dich vor den Spiegel und bitte darum, dass du deine inneren
Qualitäten wahrnehmen darfst. Bitte deine selbstzerstörerischen „Dämonen“
darum, für einen Moment mal Pause zu machen und zur Seite zu treten. Sieh die
Schönheit deiner Augen und die Würde deiner Lebensgeschichte. Blicke in deine
Fähigkeiten, grenzenlos zu lieben. Schau dich an oder spüre in dich hinein und
wisse, dass du mit der göttlichen Quelle verbunden bist.
Stelle dir vor, dass jede Träne, die du vor Freude oder auch vor Trauer
weinst ihren Ursprung in Gott hat. Mit diesen Tränen spülst du deine Qualitäten
frei, so dass sie wie ein Diamant sichtbar werden. Du strahlst dich im Spiegel
an und verstärkst damit die Idee, dass diese Erde in Wirklichkeit ein Paradies
ist.
Die alten irischen Segen haben oft zum
Inhalt, dass du die Welt und dich selbst wohlwollend wahrnimmst. Sei selbst wie
ein alter irischer Segen voller Geschichte und Kraft. So brauchst du kein
Segenswort von außen. Du bist selbst ein fleischgewordener Segen. Für dich, für
deine Umgebung und für die Welt.