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Donnerstag, 5. November 2015

Kreative Lösungen finden!


In einer Seitenkapelle der Kathedrale von Santiago sieht man den Heiligen Jakobus mit erhobenem Schwert, das gleich auf eine Schar von Männern mit Turban niedersaust, um ihnen martialisch den Kopf abzusäbeln. Santiago, der Maurentöter. Ein beliebtes Motiv in der jahrhunderte dauernden kämpferischen Kirche gegen den islamischen Feind.
Vor ein paar Jahren nun beschloss das Domkapitel, diese Figur zu entfernen, weil sie nicht mehr zeitgemäß ist. Diese Entscheidung stieß auf den erbitterten Widerstand der Traditionalisten. Die Figur muss bleiben, sonst gibt es Ärger. Kein Wunder, dass ein schwertschwingender Jakobus den Ärger auch nach Jahrhunderten gut anstacheln kann.
So haben wir nun zwei Gruppen, die sich unversöhnlich gegenüberstehen. Die Verfechter eines sich mit dem Islam versöhnenden Klerus und die Gruppe der Traditionalisten, die um ihre schwindende Identität fürchten. Figur rein oder raus? Das Domkapitel hat zwar die Macht, aber den Proteststurm muss man erst einmal überstehen. Es kann doch nur einen Gewinner und einen Verlierer geben, oder?
Die Lösung, von der ich hörte, klingt schildbürgermäßig oder wie ein fauler Kompromiss. Doch manchmal liegt die Lösung eben auf einer höheren Ebene. Und wie machten das die einfallsreichen Spanier? Nun, die "Mauren" bilden den Sockel der Figur und befinden sich folglich unten. Jetzt wird diese Figur über und über ordentlich mit Blumen geschmückt. So ist nicht mehr erkennbar, was Jakobus dort mit dem Schwert macht. Er könnte jetzt also auch Blumen köpfen. Die Traditionalisten haben sich durchgesetzt: Die Figur bleibt. Der Domklerus hat sich auch durchgesetzt: Die Anstößigkeit verschwindet - zwar nicht aus der Kathedrale, aber hinter einem Berg von Blumen. Der nicht wissende Betrachter wird entzückt sein von der spanischen Frömmigkeit, die jederzeit ihren Heiligen in einem Blumenmeer versinken lässt.

Manchmal scheint es im Leben nur ein entweder/oder zu geben. Einer gewinnt und Einer verliert. Für eine Gemeinschaft ist das aber keine wirkliche Lösung, weil der Verlierer den Verlust auf die Dauer nicht so widerstandslos hinnimmt. Besser ist es, eine Lösung zu finden, wo beide Parteien gewinnen. Die Blumen des Heiligen Jakobus erweisen sich als klugen dritten Weg. Solltest du demnächst in eine Situation hineingeraten, in der es zu einer Entscheidung kommt mit möglichen Gewinnern und Verlierern erzähle doch die Geschichte von Santiago de Compostela und dem geschmückten Jakobus. Dann lade deine Gruppe dazu ein, nach einer Lösung auf ähnlicher Ebene zu suchen. Deine Kinder wollen auf den Abenteuerspielplatz und Vater möchte Ruhe haben. Aber die ganze Familie möchte auf jeden Fall den Tag gemeinsam verbringen. Entweder verlieren die Kinder und verzichten auf das Abenteuer oder der Vater verzichtet auf seine Ruhe. Na, fällt dir eine Lösung ein, wie man den Vater oder die Kinder "mit Blumen" schmücken kann?
www.matthias-koenning.de

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